LESERINNENBRIEFE :
Eine reine Parlamentspartei
■ betr.: „Das große Nicken“, taz.nord vom 18. 2. 13
Die neuen grünen Minister in Niedersachsen haben im Widerspruch zu einem Rest urgrüner Tradition und der Beschlusslage der Partei, ihr Landtagsmandat nicht niedergelegt, sich also einer Trennung von Amt und Mandat widersetzt. Bezeichnend ist die scheinheilige Begründung: Bei einem eventuell drohenden Scheitern der Koalition mit der SPD könnten die grünen Minister zu einer Fortsetzung der Koalition tendieren, weil sie ja dann keine Berufsperspektive in Form des Abgeordnetenmandats mehr hätten. Das Ganze wird dann flankiert von der scheinheiligen, und nicht durchzusetzenden, Forderung, die Trennung in der Länderverfassung aufzunehmen.
Da sieht man sehr deutlich, dass auch bei den Grünen inzwischen politisches Engagement und Karriere sehr stark zusammenhängen und es wird offensichtlich, dass auch hier politische Entscheidungen immer mehr von den eigenen Berufsplanungen bestimmt werden. Auch die grüne Partei ist inzwischen ein Karrieresprungbrett für Hochschulabsolventen mit Studienhintergrund Völkerrecht oder BWL. Man fragt sich doch, ob die Koalitionen mit der SPD nicht deshalb so attraktiv sind, weil es jede Menge Berufschancen gibt, Staatssekretärsposten, Fraktionsvorsitzende, Ältestenrat usw. Es ist ja schon seit längerem zu beobachten, dass die Grünen sich von einer Bewegungspartei zu einer reinen Parlamentspartei entwickelt haben. Diejenigen, die mit dieser Laufbahn Politiker werden, neigen dazu, immer mehr systemimmanent zu denken. Wobei System hier nicht einmal das System der BRD oder den Kapitalismus meint, sondern es meint ein ganz enges berufspolitisches System, einen durch die Verhältnisse, durch die Strukturen und die Gespräche im Parlament bestimmten politischen Diskurs. Die Piraten haben’s leider versaut, hier eine Alternative zu werden. Schöne Scheiße! JENS THEO MÜLLER, Rangsdorf