LESERINNENBRIEFE :
Der Glanz äußeren Scheins
■ betr.: „ Sie kann auch anders“, taz vom 20. 4. 13
Wenn Frau Göring-Eckardt sich „sozialpolitisch eher links“ wähnt, so hat sie zumindest einen massiven Orientierungsdefekt. Nicht vergessen hat der aufgeklärte Bürger, welchen Beitrag die Dame zur Zurichtung von Sozial-, Arbeitsmarkt-, Gesundheits-, Renten- und Finanzmarktpolitik und vieles andere mehr vor gut zehn Jahren geleistet hat. Damals hat sie als Fraktionsvorsitzende die Zustimmung der Grünen zu den Orgien mitorganisiert, die das deutsche Gemeinwesen in seiner Substanz grundlegend umgewälzt haben. Die im Artikel angedeutete Absenz von Überzeugungen in Verbindung mit Aufstiegsstreben kann bei solch ebenso leichtfertigen wie destruierenden Eingriffen in die Lebensumstände und Zukunftsplanung von vielen Bürgern sehr nützlich sein.
Heute gibt sie für ihre Kreise die Mitfühlende und Unaufgeregte und beantwortet inhaltliche Fragen à la Merkel mit nichtssagenden Phrasen, dabei stets süßlich lächelnd. Wie weiland die mediale Inszenierung von Fischer-Schröder auf männliche Alphatiere gelautet hat, wird bei der grünen Frontfrau heute auf den äußeren weiblichen Habitus fokussiert. Der Glanz des äußeren Scheins soll davor bewahren, der dahinter lauernden inhaltlichen Leere oder des situativ gebotenen Opportunismus gewahr zu werden, wodurch die Grüne als echte Neo-Liberale desavouiert wäre. Obwohl vieles schon jetzt darauf hindeutet, dass die Grünen aufgrund ihrer politischen Positionen und wegen der sozialen Zusammensetzung ihrer Wähler die FDP – erweitert um eine Prise Tugendfuror – beerben werden, darf dieser potenziell wahlbeeinträchtigende Eindruck nicht allzu früh um sich greifen. HANS GÜNTER GREWER, Saarbrücken
Wo fängt massives Vermögen an?
■ betr.: „Die Oligarchen sind über uns“, taz vom 24. 4. 13
Voller Begeisterung habe ich das Schlagloch von Ilja Trojanow gelesen. Ich halte es allerdings für erforderlich, bei der Bestimmung von Vermögen noch klarer zu werden. Er schreibt, dass „massives Vermögen grundsätzlich infrage zu stellen ist. Es gefährdet das Gemeinwohl und ist durch nichts zu rechtfertigen.“ Wo fängt massives Vermögen an? Bei Millionären? Aus meiner Sicht schafft ein Vermögen von mehreren Hunderttausend Euro schon eine viel zu große Kluft zwischen denen, die darüber verfügen, und denjenigen, die mit einem Durchschnittseinkommen auskommen müssen, ganz zu schweigen von den Menschen, die auf Transferleistungen angewiesen sind. Ich halte eine gesellschaftspolitische Debatte über die ungleiche Verteilung von Vermögen sowie eine strikte Begrenzung von Privatvermögen für dringend erforderlich und befürchte gleichzeitig, dass auch in Deutschland diesbezüglich grundlegende Gesetzesänderungen nicht zu erwarten sind.MECHTILD LUTZE, Berlin
Auf Kohle verzichten
■ betr.: „Bedrohliche Kohlenstoffblase“, taz vom 22. 4. 13
Neben den gravierenden Folgen für die globale Erwärmung ist auch der Bezug, vor allem von Steinkohle, ein großes Problem für die Lieferantenländer. Zu den Abnehmern in Deutschland gehören alle großen deutschen Versorger, vor allem E.ON, daneben aber auch RWE, Vattenfall und EnBW. E.ON bezieht den größten Anteil der Kohle aus Kolumbien, wo große Tagebaue erhebliche Umweltschäden verursachen, ganze Dörfer umgesiedelt werden müssen, Anwohner und Arbeiter darüber klagen, dass der Kohlestaub sie krank mache. Und wer sich für Umweltschutz einsetzt, meist Gewerkschaftsfunktionäre, wird bedroht und ermordet.
Wie der jetzt von der Menschenrechtsorganisation Fian und der Umweltorganisation Urgewald vorgestellte Report „Bitter Coal“ belegt, hat der Abbau der Kohle aber auch in allen anderen Herkunftsländern enorme soziale und ökologische Folgen. Angesichts des Überangebots an fossilen Brennstoffen und der bedrohlichen globalen Erwärmung sollten die Energieversorger auf den Einsatz der Kohle verzichten und ihr Geschäftsmodell auf regenerative Energien verlegen. HELGA SCHNEIDER-LUDORFF, Oberursel
Denken, entscheiden, handeln
■ betr.: „Ich rede als Kontaminierter“ (F. Schirrmacher), taz vom 20.4. 13
so ein interessantes gespräch. am ende angekommen suchte ich nach einer art „fazit“. Philosoph ist man doch nicht nur um des philosophierens willen. gibt es ein anliegen dazu? hat man nicht die verdammte aufgabe, wenn man eine erkenntnis hat, diese auch irgendwie umzusetzen? also: es geht hier nicht mehr um menschen, wie schirrmacher aufzeigt. er beschreibt eigentlich die ent-menschlichung unseres lebens, in allen belangen. man sieht die hammelherde in eine fatale richtung rennen. schön wäre jetzt gewesen, dem geneigten und gewillten leser nun die augen zu öffnen für all das, was im alltag abläuft: wo geben wir freiwillig unsere persönlichkeitsrechte ab, wo lassen wir uns freiwillig im alltag überwachen (kundenkarten, google, facebook …) wo lassen wir uns freiwillig unser denken und unsere entscheidungen abnehmen, wo nehmen wir aus bequemlichkeit unsere gestaltungsfreiheit und -fähigkeit unseres lebens und unserer umgebung nicht in anspruch, warum hinterfragen wir nicht, wenn man uns ständig suggeriert, dies und jenes sei halt so, müsse halt so und so sein? wir sind doch irgendwie da hin gekommen, und also gibt es doch auch eine möglichkeit, einen anderen weg einzuschlagen. diese aufgabe hat ein jeder erst einmal für sich allein! augen auf, aufwachen, hirn einschalten, selber denken und entscheiden, dann handeln. ELKE GRÖZINGER, Wunstorf