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Archiv-Artikel

LESERINNENBRIEFE

Diskriminierungsverbot missachtet

■ betr.: „Gottes Schulen und staatlicher Beitrag“, taz vom 3. 4. 13

Das geltende Verfahren in NRW, wonach Kindern der Zugang zu Bekenntnisschulen verwehrt wird, wenn sie nicht am Religionsunterricht teilnehmen wollen, verstößt offensichtlich gegen das Diskriminierungsverbot gemäß Artikel 2 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte und Artikel 26 des Internationalen Paktes über bürgerliche und politische Rechte. Nach diesem Verbot darf ein Kind aufgrund seines religiösen Bekenntnisses keine Ausgrenzung erfahren. Den menschenrechtlichen Bestimmungen geht es um das selbstverständliche Dabei-sein-Können aller Menschen in allen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens. Es bezieht sich also auch auf Menschen mit unterschiedlichen Religionszugehörigkeiten.

ULRICH FREHSE, Paderborn

Für konfessionslose Schulen

■ betr.: „Gottes Schulen und staatlicher Beitrag“, taz vom 30. 4. 13

Die „Verwaltungsvorschrift über die Unterrichtsorganisation“ entscheidet offenbar über Sein und Nichtsein von Schulen. Bürgermeister Uwe Siebert hat richtig erkannt, dass das Vorhandensein einer Bildungseinrichtung ein entscheidender Standortvorteil sein kann. Warum sehen das zwar einzelne engagierte Bürger, aber nicht die Entscheidungsträger? Wenn der Landkreis wiederum die Fahrtkosten der Schüler übernimmt, die nicht in einem konfessionellen Gymnasium unterrichtet werden wollen, so fährt er seine Entscheidung, das Gymnasium aus Kostengründen nicht weiter staatlich betreiben zu können, finanziell später gegen die Wand! Absurd!

Gegen die Politikerversprechen aller Parteien wird für unsere Zukunft, das heißt für die Bildung unserer Kinder zu wenig investiert. Außerdem wäre eine staatliche Schule mit religionsübergreifendem Ethik-Unterricht die Form, die einem säkularen Staat entsprechen müsste. Die Unterschiede zwischen Islam, christlichem und jüdischem Glauben werden im konfessionellen Unterricht zementiert, im Ethikunterricht aber geglättet. Konfessionsgebundene Schulen sind in unserer – sich zunehmend auf die Religionen konzentrierenden Welt – sicher nicht der richtige Weg. Staatliche Schulen mit Ethikunterricht könnten es sein. NORBERT VOSS, Berlin

Nennt mir die Namen

■ betr.: „Korrupte, Kleiderketten und Konsumenten“, taz v. 29. 4. 13

Ja, klar, ich gedankenloser und über Leichen gehender Konsument bin mit verantwortlich. Für alles: Für korrupte und kriminelle Akteure weltweit und dafür, dass Frau Merkel Kanzlerin ist – auch wenn ich sie nicht gewählt habe. Ich bin verantwortlich für die Überfischung der Weltmeere und ihre Verschmutzung.

Und natürlich bin ich auch verantwortlich für all die Umweltsauereien, die bei der Suche und Gewinnung von Erdöl zum Beispiel in Nigeria passiert sind, usw., usw.

Ist es nicht ein bisschen zu bequem, die (Mit-)Verantwortung auf die Schultern aller Konsumenten zu verteilen, statt die zu benennen, die hier tatsächlich skrupellos ausbeuten und über Leichen gehen? Nennt mir die Namen, die Läden, die Labels und ich komme meiner Verantwortung als Konsument gerne nach. Oder ist alles, was mehr als 5 Euro kostet, schon okay? Helft mir beim Lösen meines Problems und sagt mir, wo und was ich getrost kaufen kann, außer im taz-Shop und bei Greenpeace. Vielen Dank. CHRISTA HEEGER, Mainz

Allein der Profit zählt

■ betr.: „Korrupte, Kleiderketten und Konsumenten“, taz v. 29. 4. 13

In keiner Branche wird so offensichtlich deutlich, wie inhuman der Kapitalismus ist. Menschenleben zählen nicht – weder bei uns und erst recht nicht an den Produktionsstätten vor Ort. Tote und Gefährdung der Gesundheit – scheint allem Anschein nach ein einkalkuliertes Restrisiko zu sein. Das bedeutet nicht, dass dies in anderen Produktionsketten keine Geltung hat, nur sind die Folgen leichter zu verstecken. Regierungen spielen eine nicht geringe Rolle dabei, den hemmungslosen Kapitalismus zu unterstützen. Wie sagte schon Bundeskanzlerin Merkel: „Wir müssen unsere Demokratie marktkonform machen.“ Dies dient als Begründung dafür, überall in den Eurostaaten unter dem Deckmantel der Wirtschaftsreform die sozialen Errungenschaften der Vergangenheit fast abzuschaffen.

Allein der Profit zählt, die Bilanz muss stimmen. Und deshalb ist es im Grunde perfide, wenn Kommentatoren immer wieder dem Verbraucher eine Mitverantwortung an den Produktionsverhältnissen zuschreiben. Wenn die Armut – wie belegt – steigt, kann sich ein Verbraucher eben keine teuren Waren leisten. Das ist populistische Berichterstattung, denn auch teure Kleidung wird unter den gleichen Bedingungen in China oder Bangladesh und/oder auch durch Kinderarbeit gefertigt, ebenso wie andere zum Teil auch rüstungsrelevante Produkte, oder Grundstoffe für die Industrie und Energiegewinnung.

Zur Erinnerung oder Information: Artikel 22 aus der Erklärung der Menschenrechte: „Jeder hat als Mitglied der Gesellschaft das Recht auf soziale Sicherheit und Anspruch darauf, durch innerstaatliche Maßnahmen und internationale Zusammenarbeit sowie unter Berücksichtigung der Organisation und der Mittel jedes Staates in den Genuss der wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte zu gelangen, die für seine Würde und die freie Entwicklung seiner Persönlichkeit unentbehrlich sind“. Das beinhaltet, dass gerade auch unsere Regierung dafür zu sorgen hat, dass diese Missstände abgeschafft werden, wenn es die „freie Marktwirtschaft“ nicht will.

ALBERT WAGNER, Bochum