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Archiv-Artikel

LESERINNENBRIEFE

„Meine DDR sah anders aus“

■ betr.: „Klassenkampf im Wahlkampf“, taz vom 21. 5. 13

„Die Kanzlerin war in der FDJ. Unsere Autorin Barbara Bollwahn auch. Na und?“ Nach dieser Ankündigung auf der Titelseite war mir klar, wie die Schreiberin ihre Sicht anbieten würde: verharmlosend, undifferenziert, schlecht informierend, provokant, wie sich DDR-Journalismus seinerzeit auch darstellte. Es schmerzt, diese sattsam bekannte verbogene Haltung nun in der taz wiederzufinden.

Auch Reden von Frau Dr. Merkel sind für mich in ihrem FDJ-Agitpropstil unerträglich. Meine DDR sah anders aus. Ich gehörte zu den Kindern, denen trotz bester schulischer Leistungen der Weg zum Abitur und damit zum Studium verwehrt wurde, weil die Eltern nach den Erfahrungen des „Dritten Reiches“ ihre Bürgerrechte wahrnahmen. Sie sagten zu den politischen Ansinnen „Nein“, wenn sie „Nein“ meinten. Sie nahmen sich die Freiheit, ihre Kinder nicht in die Pionierorganisation und später nicht in die FDJ zu schicken. Bei dieser Entscheidung ging es keinesfalls um eine Diskreditierung der DDR, sondern um das Recht auf Selbstbestimmung. Der Preis war hoch, der Druck enorm. Es gab offenbar innerhalb der Gesellschaft kein Gespür dafür, dass die frühe Einbindung in diese Kaderschmieden zur Stabilisierung des DDR-Regimes beitrug. Ein massenhafter ideologischer Missbrauch von jungen Menschen, den ganz kleinen Rädchen. Ich bedauere Frau Bollwahns Schicksal, die Schizophrenie des politischen Spagats schon als Kind verinnerlicht zu haben.

BEATE STEMMLER, Berlin

Friedensdrohne durch Bildung

■ betr.: „Vom Traum zum Alptraum“, taz vom 22. 5. 13

Danke für die herrliche Abbildung der „Kampfdrohne“ auf der Titelseite! Ihr hättet auch titeln können: „Bildung – die einzige Drohne, die fliegt!“ Für eine halbe Milliarde Euro kann Bildung nicht nur in Deutschland finanziert werden. Nachhaltig ist Konfliktprävention – Gewalt erzeugt nur Gegengewalt. Aber sage das mal ungebildeten Politikern, die den Euro in völlig unterschiedlichen Sozialsystemen, in Ländern mit uneinheitlicher Finanz- und Steuerpolitik eingeführt haben. Vielleicht entsteht durch Bildung mal die Friedensdrohne, der/die unsere Welt zum Besseren beeinflusst? Vielleicht werden durch Bildung mal Politiker mit Weitblick, mit Überblick und mit Verantwortung für die Zukunft geschaffen? NORBERT VOSS, Berlin

Berufsverbot wäre angebracht

■ betr.: „Grüner Krieg gegen Biofälscher“, taz vom 21. 5. 13

Der schwache Punkt bei allen Überwachungen sind die Zertifizierungsstellen, sei es, wie hier, für die Biozertifizierung, aber ebenso für die Zulassung von Medizinprodukten. Es ist einfach nicht hinnehmbar, dass die Prüfer oder Zertifizierer von den Unternehmen bezahlt werden, die die Zulassung beantragt haben. Solange dieses System beibehalten wird, werden wohl immer wieder neue Skandale die Bevölkerung aufschrecken, da es zu Betrug geradezu einlädt.

Außerdem sind die Strafen für Betrüger zu lasch: wenn zum Beispiel in Italien eine dreimonatige Strafe zur Bewährung ausgesetzt wird, bringt das ja wohl nichts. Ein Berufsverbot wäre hier nach einer Verurteilung besonders angebracht gewesen.

HELGA SCHNEIDER-LUDORFF, Oberursel

Wenn das nicht Zynismus ist

■ betr.: „Das moralische Versagen …“, taz vom 21. 5. 13

Wie zynisch,wie hochnotpeinlich, dieses Interview mit einem ehemaligen stellvertretenden Geschäftsführer unserer Bundesärztekammer, der riskante Medikamententestungen der Pharmaindustrie als Hilfsprojekt für medizinisch unterentwickelte Länder darstellt. Will er den taz-LeserInnen wirklich weismachen, die Pharmaforscher hätten nicht gewusst, dass Menschen in der DDR ohne ethische Richtlinien für die Versuche rekrutiert wurden? Das war doch sicherlich gerade der Grund für die Verlegung ins sozialistische Nachbarland? Aber immerhin bekamen Menschen dort und in den Entwicklungsländern Medikamente, die sonst zu teuer für sie wären – na, wenn das nicht Zynismus ist! BARBARA DENNIS, Bremen

Eine trostlose Lage

■ betr.: „Bildung als Bedrohung“, taz vom 22. 5. 13

Franz Walter beschreibt die trostlose Lage, wie sie ist. Große Teile der 68er-Aufsteiger erinnern sich offensichtlich nicht mehr, wollen sich nicht mehr daran erinnern, wie sie in jenem „roten Jahrzehnt“ in die akademischen Berufe gespült wurden. Es ging darum, das Bildungspotential auch der nachgeordneten Schichten voll auszuschöpfen. Eigentlich müsste es in einer demographisch erschöpften Gesellschaft, die händeringend gut geschulte junge Menschen aus dem ökonomisch zugrunde gerichteten Südeuropa abwirbt, auch heute um die gründliche Förderung des eigenen Nachwuchses gehen.

Ich selbst, obwohl in bürgerlichen Verhältnissen aufgewachsen, wurschtelte mich während der viereinhalb Kanzlerjahre Willy Brandts in einen akademischen Beruf. So etwas wie Bologna gab es noch nicht. Die akademische Jugend hatte ihre Freiräume, wofür sie auch zu kämpfen hatte. Ohne Gegenwehr ließ sich die Ordinarienherrlichkeit – der Muff unter den Talaren – nicht hinwegfegen. Mit der Kanzlerschaft Brandts war auch die Reformherrlichkeit im Lande BRD (alt) vorbei. Es kam die Herrschaft des/der leitenden Angestellten. Danach sieht die Republik auch aus, im Jahre 2013.

HANS-JÜRGEN MICHEL, Schwerin