LESERINNENBRIEFE :
Wo bleibt der Lerneffekt?
■ betr.: „Meiner kommt nicht in die Kita“, taz vom 19. 7. 13
„Meiner kommt nicht in die Kita“ klingt nach einem indirekten Vorwurf an alle Eltern und Bezugspersonen, die sich bewusst (und nicht gezwungenermaßen, wie von der Autorin suggeriert) dafür entschieden haben, ihr unter dreijähriges Kind in Betreuung zu geben. Zudem scheint der so genannte „gesellschaftliche Konsens“ noch nicht bei allen angekommen zu sein, da man sich leider immer noch dafür rechtfertigen muss, das Kind „so früh“ abzugeben, und teilweise sogar noch mit dem Vorwurf der „Rabeneltern“ konfrontiert wird. Außerdem hatten wir gehofft, dass die taz aus der Rassismus-Debatte gelernt hätte, und kritischer mit Exotisierungen, wie im Artikel mehrfach zu finden sind, umgeht. Die Autorin verliert sich in romantisierenden, „positiv rassistischen“ Darstellungen von sogenannten „Stammeskulturen“. Wo bleibt der Lerneffekt?
RONIA HOFFMANN, MIA MITTEL, Dresden
Frauenpolitischer Aspekt fehlt
■ betr.: „Stabilisierender Effekt“, „2.500 Franken für jeden“, taz vom 27. 7. 13
Was in den Diskussionen um das bedingungslose Grundeinkommen fehlt, ist das, was mit Gender Mainstreaming ursprünglich gemeint war, nämlich die Aufforderung, in allen Politiken und Programmen vorab eine Analyse über die Auswirkungen von Entscheidungen auf Frauen beziehungsweise Männer zu erstellen. Dieser Aufgabe sollten sich, so der Grundgedanke, auch AkteurInnen stellen, nicht nur EntscheidungsträgerInnen in der Politik.
Wie sich ein bedingungsloses Grundeinkommen auf beide Geschlechter auswirken könnte, hat Ingrid Robeyns zu klären unternommen, indem sie Mikro-Simulationen nutzte: Männer würden tendenziell weiterhin einer Erwerbsarbeit nachgehen; die Erwerbsbeteiligung von Frauen dagegen könnte um 20 bis 30 Prozent zurückgehen, denn Frauen würden möglicherweise das zusätzliche Geld dazu nutzen, ihre Erwerbsarbeitszeit zu reduzieren. Robeyns räumt ein, dass das Verhalten von Frauen und Männern schwer vorhersehbar ist. Ihre Überlegungen haben jedoch eine hohe Plausibilität. Sollte es so kommen wie von ihr angenommen, würde sich das Einkommen von Frauen verringern, sie wären gegenüber Männern noch stärker finanziell benachteiligt als bislang. Aber selbst wenn sich beide Geschlechter in ihrem Erwerbsverhalten nicht änderten, würden Frauen sich in einer Paarbeziehung relativ schlechter stehen. Es wäre also wirklich sehr wichtig, geschlechtsspezifische Überlegungen anzustellen und nicht die vorherrschende Gender-Blindheit zu vertiefen, wie in den beiden genannten taz-Beiträgen geschehen. URSULA G. T. MÜLLER, Staatssekretärin i. R., Kiel
„Geschenk ohne Not“
■ betr.: „Stabilisierender Effekt“, taz vom 27. 7. 13
Kann Hannes Koch mir bitte den Unterschied erklären, warum das staatliche „Geschenk ohne Not“ des bedingungslosen Grundeinkommens „ethisch schwer zu begründen“ ist, nicht aber das Kindergeld für Wohlhabende oder die Subventionen für gut gehende Unternehmen? ROLF MUELLER, Trennewurth
Schlechtes Wirtschaften
■ betr.: „Obama hätschelt Mittelschicht“, taz vom 26. 7. 13
Die Missstände, die Präsident Obama in den Vereinigten Staaten abschaffen möchte, lassen sich auch in Deutschland feststellen. Während in den letzten Jahren die Vermögen der reicheren BürgerInnen wuchsen und die Wirtschaft wachsen konnte, sind die Reallöhne gesunken. Besonders alarmierend ist die Beschäftigung von ArbeitnehmerInnen in Jobs für Minilöhne, von denen sie ihren Lebensunterhalt nicht bestreiten können. Dass dies in absehbarer Zeit zu Altersarmut führen kann, hat selbst die Bundesministerin für Arbeit, Frau von der Leyen, erkannt. Jedoch die deutsche Kanzlerin erkennt hier wohl kein Problem, schließlich sei Deutschland ja „ein unternehmerfreundliches Land“. Und die Steuern fließen ihrer Meinung nach reichlich, so dass Steuererhöhungen nicht nötig seien. Auch ein allgemeiner Mindestlohn, um Lohndumping zu vermeiden, ist mit ihr nicht zu erwarten. „Die wachsende Ungleichheit ist nicht nur moralisch falsch, sie ist schlechtes Wirtschaften“: es wäre zu wünschen, dass auch die deutsche Regierung dies als Prämisse ihres Handelns beherzigen würde, anstatt die Wirtschaft nach Stabilisierungmechanismen auszurichten beziehungsweise zu „flexibilisieren“.
HELGA SCHNEIDER-LUDORFF, Oberursel
Teilhabe an der Unterwerfung
■ betr.: „Empörungsindustrie“, taz vom 27. 7. 13
Das freiwillige Engagement der „Kofferneger“ als rassistisches Problem zu identifizieren, leugnet keineswegs die Klassenverhältnisse dahinter. Wäre Yücel gegen den Mindestlohn, nur weil sich immer Menschen finden werden, die zu Hungerlöhnen schuften? Gerade die Klassengesellschaft macht doch die gleiche Teilhabe an der Unterwerfung unter kapitalistische Ausbeutung unmöglich, sind es ja eben ausschließlich die unteren Klassen, die in den „Genuss“ dieser kommen. Es stimmt, die Verhältnisse sind das Problem, aber einfach nur eine weitere Gruppe qua Herkunft zu Ein-Euro-Jobbern umzufunktionieren und dies dann als „Gleichberechtigung“ mit den anderen Unterprivilegierten zu feiern, kann nicht ernst gemeint sein.
CLAUDIUS MAIER, Villingen-Schwenningen