LESERINNENBRIEFE :
Muss man(n)?
■ betr.: „Mutti macht mobil“, taz vom 6. 9. 13
„Ich dachte immer, ich sei die Einzige, die so denkt“, zitiert Birgit Kelle eine ihrer begeisterten Leserinnen. Es gibt immer noch genügend Frauen, die ihren traditionellen Lebensentwurf bestätigt bekommen möchten. Genug jedenfalls, um aus konservativen Versatzstücken einen Bestseller zu basteln. Erfolgreich war damit zuletzt Eva Herman (Bestseller 2006). Aber muss man die Äußerungen dieser Eva Herman 2.0 deshalb als „längst überfällig“ qualifizieren und auf einer ganzen taz-Seite breittreten? CLAUDIA PINL, Köln
Ein unnötiges Buch
■ betr.: „Mutti macht mobil“, taz vom 6. 9. 13
Was fang ich mit dieser Rezension an. Eigentlich erkennt Alexander Wallasch, dass uns hier alter Wein in neuen Schläuchen präsentiert wird. Trotzdem hält er es für notwendig, dass überholt geglaubte Einstellungen eine „von Feministinnen dominierte Debatte“ beleben. Wieso eigentlich?
Ich musste mich in den 80er Jahren als Mutter von zwei Töchtern immer dafür rechtfertigen, dass ich meinem Beruf nachging und meine Kinder in Kindergruppen betreuen ließ. Scheel angeguckt, als vermeintliche Rabenmutter, weil ich meine Kinder „weggebe“, insbesondere von diesen christlichen (es waren nicht nur katholische) Übermüttern, die in ihrer an Größenwahn grenzenden Überzeugung, das einzig „Seligmachende“ für ihre Kinder zu sein – was ihnen im Übrigen weder die Gesellschaft noch die Väter streitig machen durften –, vehement die herausragende Rolle der Mutter in der Kindererziehung verteidigten. Im Übrigen, auch ich habe meine Mutterschaft und meine Kinder genossen und genieße es heute noch mit 62 Jahren, Mutter zu sein, was beweist: Genießen können nicht nur Hausfrauen.
Ein Aufschrei gegen den Gleichheitswahn: So ein Unsinn. Schauen Sie sich unsere Gesellschaft an. Wo herrscht hier Gleichheit? Und trotzdem diskutieren wir wieder diese überholten Konzepte. Warum nur?
Jeder, der bewusst in unserer Gesellschaft lebt, nimmt den gesellschaftlichen Wandel, mit dem Familien und ihre Konzepte bezüglich der Kinderziehung konfrontiert sind, wahr. Immer mehr Familien scheitern, nicht etwa daran, dass Kinder nicht bei ihren Müttern aufwachsen, sondern daran, dass die Vereinbarkeit von Familie und Beruf und die gesellschaftlichen Bedingungen, insbesondere auch die wirtschaftlichen, zu einem gesunden Aufwachsen von Kindern fehlen. Damit braucht man sich aber nicht auseinanderzusetzen, wenn man die Probleme verlagert und einen Konflikt zwischen Betreuungskonzepten aufbaut und schürt. Die Feminismusdiskussion hat in diesem Bereich aber auch gar nichts verloren und stellt einen Nebenkriegsschauplatz dar – Feministinnen-Bashing ist in.
Mein Fazit: ein durch und durch unnötiges Buch und eine ebenso unnötige Rezension. HILDE THEOBALD, Saarbrücken
Ökonomie ohne Gerechtigkeit
■ betr.: „Dieser Eindruck ist falsch“, wahl.taz vom 7. 9. 13
Wenn Marcel Fratzscher glaubt, die Steuererhöhungs- und -senkungspläne von den drei Oppositionsparteien seien ökonomisch nicht notwendig, so mag dies zwar richtig sein, er vergisst aber ganz entscheidend, dass sie für die Gerechtigkeit in diesem Lande erheblich sind! Die Schere zwischen Arm und Reich ist so weit geöffnet, dass man sie nur noch mit dem brachialen Mittel der Staatsverordnung schließen kann, denn freiwillig geht es allem Anscheine nach nicht. Aber die Ökonomie hatte es noch nie so recht mit der Gerechtigkeit. MICHAEL KRIEGER, Berlin
Alles andere als hilfreich
■ betr.: „Geht’s euch zu gut? Ja, klar!“, wahl.taz vom 6. 9. 13
Nach Welser nun Asmuth: Nichtwähler leben nur ihre Freiheit aus, so die Botschaft. Eine realpolitische Binsenweisheit wird dabei aber völlig ignoriert: dass nämlich mit fallender Wahlbeteiligung das konservativ-(neo)liberale Spektrum stets hinzugewinnt, während SPD und Linke verlieren. Der postmoderne Beitrag des Autors ist somit alles andere als hilfreich. THOMAS LAUENSTEIN, Dortmund
Wandel der Wählerschaft
■ betr: „Grüner Herbst“, wahl.taz vom 7. 9. 13
Der Spruch „nicht rechts oder links sondern vorn“ ist Quatsch: Im Bereich der Wirtschafts- und Sozialpolitik muss sich jede Partei entscheiden: entweder Unternehmerfreiheit ohne soziale Gerechtigkeit (= rechts) oder soziale Gerechtigkeit mit Einschränkung der Unternehmerfreiheit (= links). Die Grünen haben sich programmatisch von einer grünlichen FDP zu einer grünlichen SPD entwickelt. Angesichts der wachsenden sozialen Probleme in Europa ist diese Entwicklung absolut richtig und notwendig, und es ist verantwortungslos, die Politik der Grünen auf den Bau von Windrädern beschränken zu wollen. Die nächste Finanzkrise ist nicht durch Windräder, sondern nur durch kräftige staatliche Regulierungen zu verhindern – und das ist „links“. Durch den programmatischen Wandel verlieren die Grünen Stimmen (von Unternehmern und Großverdienern ohne soziales Gewissen, siehe Artikel von Barbara Dribbusch) und gewinnen Stimmen (von Menschen, denen soziale Gerechtigkeit wichtiger ist als Unternehmerfreiheit). Zu diesem Wandel der Wählerschaft sollte man die Grünen beglückwünschen. HANS BAIER, Frankfurt