LESERINNENBRIEFE :
Schnell und zielstrebig
■ betr.: „Lernen, um zu vergessen“, taz vom 15. 4. 10
Den Beobachtungen und Befürchtungen von Professor Münch hinsichtlich einer Ökonomisierung der Hochschulen kann weitgehend zugestimmt werden.
Fatal wäre in der Tat eine passive Kundenorientierung der Studierenden, denn die aktive Mitwirkung und Gestaltung des Studiums ist eine zentrale Grundvoraussetzung für dessen Gelingen. Eine weitere Ungleichheit scheint die gestufte Studienstruktur zu schaffen, wenn, wie vorgesehen, Selektionshürden den höheren Master-Abschluss verhindern. Für einzelne Fächer wie Chemie oder Architektur kann dies sogar eine Art von Berufsverbot bedeuten.
Die Sorge um ein Schmalspurstudium, in dem das Abhaken von Kursen und Modulen sowie das Sammeln von Punkten im Vordergrund steht, ist nachvollziehbar. Allerdings würde ich diese Entwicklung unabhängig von der neuen Studienstruktur sehen, denn eine Effizienzorientierung in der Hochschulausbildung – das Studium möglichst schnell und zielstrebig abzuschließen – hat bei den Studierenden schon seit Längerem stattgefunden und nimmt weiter zu. Dass dabei andere Bildungswerte zu kurz kommen können, liegt auf der Hand.
MICHAEL RAMM,
Arbeitsgruppe Hochschulforschung Universität Konstanz
Unvorstellbare Metzeleien
■ betr.: „Unser Krieg“, taz vom 22. 4. 10
Interessant, diese Zahlenspiele, aber hat jemand mal auch nur annähernd nachgerechnet, wie viel Menschen in Afghanistan von 1990 bis 2001 gestorben sind? Dann bekäme man einen Eindruck davon, was los wäre, wenn dort keine unter anderem deutschen Soldaten wären. In Somalia ist der ganze UN-Trupp abgezogen, als ein US-Soldat durch Mogadischu geschleift wurde. Jetzt ist die Rede davon, dass seitdem mehr als eine Million Somalis getötet wurden. Und Flüchtlinge erzählen von unvorstellbaren Metzeleien der al-Shabaab. Ich könnte über die Berichterstattung kotzen, die nicht im Blick hat, was passiert, wenn die ganze restliche Welt und auch die Linke einfach wegsieht.
KLAUS-DIETER GROTHE, Gießen
Das Kind beim Namen nennen
■ betr.: „Not my Generation“ von Mely Kiyak, taz vom 22. 4. 10
Endlich mal eine junge Journalistin, die mir aus der Seele spricht. Wir Alten, dazu auch noch 68er, werden mit solch einem Text wohl nicht ernst genommen. Wenn ich junge Menschen darauf hinweise, dass Wehrdienstverweigerung so gar nicht im Grundgesetz zu finden ist, sondern gerade in der heutigen Zeit wichtig ist, das Kind beim richtigen Namen zu nennen, nämlich dass es Kriegsdienstverweigerung heißt, werde ich meistens nur angestaunt oder mit „Is doch egal, Alter“ bedacht.
Vielen Dank an Frau Kiyak für ihre klaren Worte. AMOS RUWWE
Die 68er und Pädophilie?
■ betr.: „Kuscheln mit den Indianern“ u. a., taz vom 22. 4. 10
Ich kann und will es nicht glauben, was ihr da verzapft habt. Die 68er und Pädophilie, das ist totaler Unsinn. Sex mit Kindern war damals und ist heute strafbar und keineswegs akzeptiert, nicht damals, nicht heute und auch zu keiner anderen Zeit. Das Einzige was damals (68) gesagt und gelebt wurde war, dass man/frau sich seiner Nacktheit vor Kindern nicht schämen musste, weil dies bis dato völlig inakzeptabel war. CHRISTIANE KAHLER
Laden statt Internet
■ betr.: „Die langsame Stadt“, taz vom 20. 4. 10
In vielerlei Hinsicht möchte ich Ihre Utopie der Entschleunigung und der Rückeroberung von städtischen Autoflächen durch Menschen teilen. Einen Aspekt empfinde ich aber als geradezu hanebüchenen Schwachsinn: Wieso sollte man „Lebensmittel übers Internet ordern“? Das ist doch quasi das Gegenteil dessen, was Sie sich vorstellen. Abgesehen davon, dass Kleingewerbe absolut essenziell wäre für meine Utopie der menschlichen, lebenswerten, lebendigen Stadt: Das Internet erfordert doch seelenlos standardisierte Waren, eine idiotische Zahl an Kleinverpackungen und irrwitzigen Versandaufwand. Stellen Sie sich das so vor, dass Sie zu Hause sitzen und warten, bis die unterschiedlichen Boten eintreffen? Da sind ja sogar fliegende Händler besser, die aus dem Verkaufsfahrzeug heraus zu festen Zeiten verkaufen. Aber eigentlich denke ich, das simple Konzept „Laden“ ist dem weit überlegen.
CHRISTOF WINDECK, Hannover