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Archiv-Artikel

LESERINNENBRIEFE

Wahlversprechen wenig wert

■ betr.: „SPD-Chef auf Kuschelkurs“, „Remembering Bebel“,taz vom 7. 10. 13

Es sind kaum drei Wochen nach der Bundestagswahl vergangen, und schon wird deutlich, wie wenig die Wahlversprechen der SPD von Gerechtigkeit durch Steuererhöhung und Einführung der Vermögensteuer den Parteispitzen wert sind; und das trotz der Ablehnung der Großen Koalition durch die Parteibasis in den Orts- und Bezirksverbänden. Da wird doch die Ursache des schlechten Abschneidens bei den Wahlen evident.

Wieder wird das Vertrauen der Wähler, aber auch die eigene Parteihistorie aufs Gröbste enttäuscht, oder wenn man es drastischer sagen will: verraten. Da wurden noch auf den 150-Jahr-Feiern die Verdienste der SPD um die Politik für die Arbeiter hervorgehoben. Und jetzt? Anstatt dass die SPD ihre Mehrheit im Bundesrat nutzt und die Regierung Merkel vor sich hertreibt, wenn es um die Gesetzgebung geht – und der Bundesrat hat dabei doch eine eigene Gesetzgebungskompetenz, Gesetze in den Bundestag einzubringen, die dann auch dort behandelt werden müssen –, scheint es den Spitzen der Partei um Ministerposten zu gehen, wie es aussieht. Über den Bundesrat könnte eine mächtigere „Gestaltungskompetenz“ wahrgenommen werden, wie es Herr Gabriel einfordert, als es ein „Juniorpartner“ in der Koalition kann. Es ist vorauszusehen, dass das „Feigenblatt gesetzlicher Mindestlohn“ gegen die versprochene Einführung einer Vermögensteuer und Erhöhung der Einkommensteuer auf 49 Prozent eingetauscht wird, damit Herr Gabriel weiter schwadronieren kann, man habe ja etwas für die Einkommensgerechtigkeit getan. Dabei ist das nur eine kleine Kröte, die die CDU schlucken muss, da Frau Merkel zumindest eine Lohnuntergrenze nicht ausgeschlossen hat.

Wieder verkaufen die Politiker an der Parteispitze der SPD die unterprivilegierte Bevölkerungsschicht in Deutschland, aber auch in Europa, anstatt auf Augenhöhe gemeinsam mit den ärmeren Schichten eine andere Politik der Umverteilung herbeizuführen, wie es der Autor des Artikels „Remembering Bebel“ treffend beschrieben hat.

ALBERT WAGNER, Bochum

Wichtige Entscheidungshilfe

■ betr.: „Remembering Bebel“, taz vom 7. 10. 13

Ingo Arend hat in Worte gefasst, was mir als Sozialdemokratin angesichts der Debatte in den letzten Tagen ein sehr ungutes Gefühl bereitet hat, das ich allerdings nicht so klar in Worte fassen konnte, wie es ihm gelungen ist: In der SPD werde „Politik nicht gesellschaftlich gedacht, sondern immer nur gouvernemental“. Das ist für mich – sollte ich als Parteimitglied denn tatsächlich befragt werden – eine wichtige Entscheidungshilfe! FRAUKE SUHR, Lehrte

„Opposition ist scheiße“

■ betr.: „Koalitionspoker. Wer zuerst zuckt, hat verloren“,taz vom 4. 10. 13

Wirklich wichtig ist, was für die Partei an Inhalten realisierbar ist und natürlich auch, welche Personen diese dann durchsetzen können. Bei den jetzigen Gesprächen Merkel/ SPD wird man sich vielleicht auf einen Mindestlohn einigen, Kernfragen aber wie die Menschenrechte – ausgehöhlt auch von den Geheimdiensten –, vor allem aber auch die Energiewende sind bei der SPD nicht erstes Anliegen. Die Dreckschleudern Kohlekraftwerke werden dann nicht abgeschafft, die großen Energiekonzerne können weiter wie bisher agieren. Die Energiewende bleibt Stückwerk.

Da sowohl SPD und Grüne geschworen haben, keine Koalition mit der Linken einzugehen (außenpolitisch auch nicht machbar), bleibt für die Grünen nur, entsprechend harte Verhandlungen mit Frau Merkel zu führen und in den saueren Apfel CDU/CSU zu beißen. Andernfalls ändert sich auf absehbare Zeit nichts. Denn die Grünen sind dann die kleinste Oppositionsfraktion, sogar der Haushaltsausschussvorsitz geht an die Linke. Positive Opposition gegen eine derart breite Übermacht? Illusion.

Wenn man gestalten will, muss man – auch unter Kompromissen – mitregieren. Wie sagte Müntefering: Opposition ist Mist.

ROBERT KREUZINGER-IBE, Linden

Frontex statt Humanisierung

■ betr.: Europas Politik der leeren Worte“, taz vom 7. 10. 13

Es müssen erst weit über hundert Flüchtlinge auf einmal, vorwiegend aus Afrika, im Mittelmeer ertrinken, bevor ein Aufschrei des Entsetzens und ein Meer mitleidiger Tränen im immer noch reichen Mitteleuropa zu beobachten sind. Dabei sind in den letzten Jahren schon weit mehr als 25.000 Menschen im Mare Nostrum (unser Meer, so nannten es die alten Römer) bei ihrem Versuch, die Küsten eines besseren Lebens zu erreichen, ertrunken, ohne dass sich die europäische Flüchtlingspolitik ein Stück mehr humanisiert hätte. Im Gegenteil: Statt eine wirkliche Humanisierung einzuleiten, wurde sie mit Frontex militarisiert. EuropapolitikerInnen verschiedener Parteien versprechen nun Besserung, will sagen, eine humanere Flüchtlingspolitik, die künftig derartige Katastrophen verhindern hilft. Ob unsere „Mutti“ der Nation, die Pfarrerstochter Angela, im Verein mit ihren Frauen und Männern aus der Christenpartei sowie den zukünftigen MitarbeiterInnen aus der Partei, die sich einmal der sozialen Frage, auch international, verpflichtet sah, auf diesem Feld globaler Politik einen gerechten und humanen deutschen Beitrag einbringen wird? „Die Hoffnung stirbt zuletzt.“

NAME und Anschrift sind der Red. bekannt