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Archiv-Artikel

LESERINNENBRIEFE

Landnahmeprojekt geht weiter

■ betr.: „Das Gespenst des Zionismus“, taz vom 5. 7. 10

Sehr geehrter Herr Hillenbrand, Sie befolgen die alte Regel, dem Kritiker Äußerungen vorzuhalten, die ihrerseits leicht zurückzuweisen sind, um den wahren Kern der Kritik zu verschweigen. Niemand mit Verstand wird behaupten, der Nahe Osten wäre ohne den Staat Israel eine Region der Glückseligen. Der Staat Israel besteht, die aktuelle Problematik ist aber, dass er weiterhin bemüht ist, Territorium zu okkupieren, das von einer arabischen Bevölkerung bewohnt und für einen eigenen Staat beansprucht wird. Das Recht auf einen eigenen Staat der Palästinenser wird zwar von westlichen Politikern und der UN bejaht, aber nicht durchgesetzt.

Gewiss wurden Staaten zumeist zu Lasten ihrer Nachbarvölker gegründet, bei Israel ist dieser Prozess aber noch nicht abgeschlossen. Auch wenn sich die Ideologie des ursprünglichen Zionismus gewandelt hat, das Landnahmeprojekt gilt weiter. Da Israel aber maximal 20 % arabische Bevölkerung in seinem als jüdisch definierten Staat dulden will, konnte und kann nur bedeuten, dass die arabische Bevölkerung verdrängt und bei Widerstand (Verzeihung: Terrorismus) auch getötet wird. So sah das schon Glubb Pascha (Great Britain and the Arabs, London 1959, S. 283). Der Unterschied zum europäischen Nationalismus des 19. Jahrhunderts ist eben, dass im Falle Israel europäische Juden ihren Staat in einem fremden Kontinent gründen wollten. Griechen, Italiener und Deutsche lebten schon auf dem Territorium, das ihren projektierten Nationalstaat umfassen sollte.

Interessant, dass sie die Besiedelung Palästinas durch Europäer mit der Besiedelung Australiens und Neuseelands vergleichen: die Araber waren zwar seit Jahrhunderten von den Türken beherrscht, aber kaum als eingeborene Naturvölker zu bezeichnen. Die Vorstellung der Briten, die Araber könnten doch leicht auf das Territorium verzichten, das die europäischen Juden für die Gründung eines eigenen Staates beanspruchten, entsprang allerdings der Vorstellungswelt einer imperialistischen Kolonialmacht.

Also: es geht nicht darum, Israel das Existenzrecht abzusprechen, sondern zu fragen, wie lange es noch dauern kann, bis sich Israel mit dem bis dahin okkupierten Gebiet zufrieden gibt. Wie viele „Verteidigungskriege“ soll Israel noch führen dürfen?

PETER FREUDENTHAL, Hamburg

Nationalistische Einstellung

■ betr.: „Das Gespenst des Zionismus“, taz vom 5. 7. 10

Der aktuelle Zionismus drückt sich, wie auch schon in der Vergangenheit, darin aus, ein Israel möglichst nur für Juden, zumindest bis zum Jordan, zu schaffen. Dazu gehören zwangsläufig eine Apartheid-ähnliche von religiösen Voraussetzungen dominierte Innenpolitik, die illegale Besiedelung der seit über 30 Jahren besetzten Westbank und die zutiefst unmenschliche Unterdrückung der in Westbank und eingekesseltem Gaza lebenden Menschen. Diese aggressiv nationalistische Einstellung der Mehrheit der Juden (in Israel und auch in den USA), genannt Zionismus, hält einen politisch ungerechten Status quo aufrecht, und zwar ausschließlich durch militärische Gewalt. Und wir wissen, keine militärische Übermacht ist von ewiger Dauer. Daher ist der Zionismus (noch einmal: der Versuch von Juden, in einem Gebiet bis mindestens zum Jordan die eingeborene Bevölkerung zu verdrängen bzw zu beherrschen) der gefährlichste Konfliktherd unserer Zeit.

Ja, ich wünschte mir einen wahrhaft demokratischen Staat Israel-Palästina, der jegliche Religionszugehörigkeit zur Privatsache erklärt und ganz anders als der jetzige Staat Israel der arabischen Welt zeigen könnte, wie sich aufgeklärte Menschen einen demokratischen Staat vorstellen. KLAUS-DIETER KÜHN, Willingen

Eine ausgewogene Darstellung

■ betr.: „Das Gespenst des Zionismus“, taz vom 5. 7. 10

Ihr Artikel zeichnet sich durch eine ausgewogene Darstellung des Konfliktes zwischen Israel und der arabischen Welt aus. Warum erst jetzt? Warum überlassen Sie zunächst ohne jegliches Eingreifen das Feld Argumentatoren wie z. B. Iris Hefets, um dann zum Ende der Diskussion Klarheit in die Debatte zu bringen?

MICHAEL KANIA, Frankfurt am Main

Das tut gut

■ betr.: „Das Gespenst des Zionismus“, taz vom 5. 7. 10

Lieber Klaus Hillenbrand, das tut gut. Richtig gut!

GRIGORI PANTIJELEW, Bremen

Irgendwie nix los bei Euch

■ betr.: „CSD in Köln. Parade nimmt Sport ins Visier“, taz v. 5. 7. 10

Was ist denn bei Euch los? Da findet in Köln tagelang eines der größten Bürgerrechtsevents der Republik statt, und die taz bringt eine kurze Agenturmeldung. Kein Wort über die zahllosen Initiativen, die gegen die Diskriminierung von Minderheiten kämpfen; kein Wort über die hunderttausende Schwule und Lesben, die mutig, öffentlich und unnachgiebig für ihre Gleichberechtigung auf die Straße oder sonst wohin gehen, die Sportvereine, Chöre und Orchester gründen, die die internationale Solidarität pflegen; kein Wort über eine Bundesjustizministerin, die für ihr Menschen-(= Minderheiten-)Rechtsengagement geehrt wird und eine kämpferische Rede hält, dass man glaubt, sie sei gar nicht in der FDP. Irgendwie nix los bei Euch. taz, aufwachen! ACHIM HOHLFELD, Herne