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Archiv-Artikel

LESERINNENBRIEFE

Kinder und Job

■ betr.: „Macchiato-Mütter. Selbstmitleid im Szenecafé“,taz vom 30. 7. 10

Was bestimmt den Wert einer Tätigkeit? Ist es die Bezahlung? Die gesellschaftliche Anerkennung? Das eigene Glücks- oder Unglücksgefühl bei der Ausführung der Tätigkeit?

Es wäre wirklich wunderschön, wenn es in unserer Gesellschaft tatsächlich wertgeschätzt würde, Kinder großzuziehen. Wie leicht wird es den Menschen in unserer Gesellschaft denn gemacht, Kinder zu bekommen und trotzdem arbeiten zu gehen? Welches Unternehmen hat denn zum Beispiel eine eigene Kita? Der Chef einer Freundin von mir, die bei einer Bank im Bereich Arbeitsrecht arbeitet, hat ihr auf den Vorschlag, eine Kita für die Mitarbeiter aufzubauen, geantwortet: „Wir sind hier eine Bank und keine soziale Einrichtung!“

Ich geh jetzt erst mal in die Küche und koch mir’n Latte macchiato; der schmeckt nämlich selbst gemacht auch ganz gut. Und kostet auch nicht so viel! BRITTA FLEGEL, Kröte

Klischees lösen keine Probleme

■ betr.: „Selbstmitleid im Szenecafé“, taz vom 30. 7. 10

Jede Frau sollte selbst entscheiden dürfen, ob sie nach der Geburt eines Kindes zu Hause bleiben will (oder kann, wie die „Macchiato-Mütter“), oder ob sie sich nach kurzer Pause wieder dem Job widmet (wie Simone Schmollack). Was bringt es denn, ständig das Klischee von den angeblich rückwärtsgewandten Wessi-Müttern und den fortschrittlichen Ossi-Müttern zu bemühen? Und sich dann noch darüber zu freuen, wenn eines dieser Lebensmodelle scheitert? Es bringt auf jeden Fall nicht die Lösung des Problems, das viele alleinerziehende Mütter – ob mit Latte macchiato oder ohne – haben: die schwierige Vereinbarkeit von Familie und Beruf mangels flexibler Betreuungsmöglichkeiten. VERENA LUTTER, Leipzig

Einsperren? Hinschauen!

■ betr.: „Jugend? Alle einsperren!“, taz zwei vom 27. 7. 10

Der Artikel ist ganz offensichtlich in völliger Unkenntnis der Arbeit der „geschlossenen Heime“ verfasst worden. Er wiederholt lediglich den üblichen undifferenzierten Reflex eines Teils der „liberalen“ Öffentlichkeit auf die ebenso reflexhafte Forderung der „Konservativen“ nach geschlossenen Heimen in Folge von Aufsehen erregenden Straftaten Minderjähriger.

Die Grundlage beider Reflexe ist ein Missverständnis: Kinder und Jugendliche, die in „geschlossenen Heimen“ betreut werden, sind nicht zur Strafe weggesperrt. Es handelt sich um Kinder und Jugendliche, die in ihrer psychosozialen Entwicklung massiv beeinträchtigt sind. Sie erhalten in den entsprechenden Einrichtungen eine intensive pädagogisch-therapeutische Hilfe. Diese Hilfe beinhaltet die Erfahrung von Gehaltenwerden und von Sicherheit ebenso wie die Verbesserung der Beziehungen zu ihrer Familie. Ziel ist die Förderung der Persönlichkeitsentwicklung und nicht Strafe. Diese Hilfe findet gerade nicht „in von der Öffentlichkeit abgeschotteten Räumen“, statt. Die Einrichtungen, die mit freiheitsentziehenden Hilfen arbeiten, sind nicht nur wesentlich enger beaufsichtigt und müssen ihr Handeln weit mehr dokumentieren und begründen, sie haben auch eine deutlich bessere Personalausstattung als die regulären Einrichtungen der Jugendhilfe.

Gesellschaftliche Desintegration der „Unterprivilegierten“ ist zumeist der Ausgangspunkt und eben nicht – und das ist ein weiteres Missverständnis des Artikels – die Folge dieser Betreuung. Ziel ist es, den Kindern, die längst keine Schule mehr besuchen, die nicht mit regulären psychotherapeutischen Hilfen erreicht wurden und die alle Chancen auf eine spätere Integration in das Ausbildungs- und Erwerbsleben zu verlieren drohen, wieder eine Chance zur gesellschaftlichen Integration zu geben. Die Vokabel „einsperren“ unterstellt eine Praxis und eine Haltung, die es – aus Sicht mancher „Konservativer“ vielleicht leider – so nicht gibt. Das sollte auch von der „liberalen“ Öffentlichkeit und der taz wahrgenommen werden. Daher meine Bitte: hinschauen, informieren und Abschied nehmen vom einfachen Weltbild! SEBASTIAN LUSTNAUER

Jugendhilfeeinrichtung „die Distel“, Deckenpfronn

Eine gestandene Frau

■ betr.: „Das Kleinstadt-Mädchen“, taz zwei vom 3. 8. 10

Mich ärgert so ein Artikel, in dem eine gestandene Frau, Mitte 40, als Mädchen betitelt wird. Das ist inhaltsleer und sagt mehr über Ihr Frauenbild, als über Frau Illner aus – ganz unabhängig davon, ob man ihre Person schätzt oder nicht. MARIANNE FRIZ, Weingarten

Regierung betreibt Klientelpolitik

■ betr.: „Wohngeld bleibt, Heizkostenzuschuss nicht“,taz vom 30. 7. 10

Nach wie vor betreibt diese Bundesregierung eine Klientelpolitik. Was geschieht mit den Energiekosten, wenn die Wirtschafts- und Finanzkrise auf dem Globus als behoben gilt? Wieder steigen? Einige Versorger haben ja bereits die Strom- und Gaspreise angehoben und erhöhen in den nächsten Wochen noch einmal. Statt den Subventionsdschungel zu lichten, wird bei den Ärmsten in großem Stil gespart.

Außerdem wäre es vernünftig, die Vermögenssteuer wieder einzuführen, sowie den Spitzensteuersatz anzuheben.

MARION MANNECK, Essen