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Archiv-Artikel

LESERINNENBRIEFE

Ausdruck tiefster Einsamkeit

■ betr.: „Der doppelte Irrtum“, taz vom 5. 2. 14

Danke für die Veröffentlichung des Beitrags von P. Markus Deckert als Antwort auf Michael de Ridders Text vom 21. 1. 14 zum Thema „assistierter Suizid“! Er spricht mir aus der Seele. Wir verdrängen alle gerne unsere Bedürftigkeit nach Hilfe und Unterstützung durch andere. Gerade wenn wir leistungsfähig sind, erscheint es uns als Horrorszenario, am Ende unseres Lebens „nichts mehr zu können“ und voll auf die Pflege durch andere angewiesen zu sein. Dabei waren wir alle schon ein Mal so bedürftig: als Neugeborene und Kinder. Je schmerzhafter die (Körper-)Erinnerung an diese Zeit ist, umso unerträglicher ist uns die Vorstellung, wieder so abhängig oder im schlimmsten Fall: ausgeliefert zu sein.

Dieser Zusammenhang ist uns oft nicht bewusst, wenn wir das Leben anderer beurteilen und uns vielleicht mit ihren geäußerten oder vermuteten Suizidwünschen identifizieren. Das Vertrauen in eine liebevolle Pflege im Alter oder in schwerer Krankheit ist stark, wenn wir sie bereits in der Kindheit erfahren haben. Insofern gehören für mich eine gute Kinderpflege und -betreuung und die Qualität von Alten- und Krankenpflege in ihrem Wert untrennbar zusammen. Suizid, ob nun mit oder ohne Hilfe durchgeführt, bleibt für mich ein Ausdruck tiefster Einsamkeit. HILKE SCHWARTAU, Hamburg

Sterbehilfe für Privilegierte

■ betr.: „Der doppelte Irrtum“, taz vom 5. 2. 14

Der Arzt und Palliativmediziner Michael de Ridder sieht ärztliche Hilfe beim Suizid von Schwerstkranken nach deren ausdrücklichem und wiederholt geäußertem Sterbewunsch für gerechtfertigt oder sogar für ethisch geboten. Der Palliativmediziner P. Markus Deckert hält Hilfe beim Suizid nur in „extremen Ausnahmesituationen“ für vertretbar, zu der auch gehört, dass eine „intim zu nennende geistige Beziehung“ zwischen Arzt und Patient besteht.

Diese intime geistige Beziehung hat aber nicht jeder. Für mich weist dies auf Sterbehilfe für Privilegierte hin. Das Argument, zu Hause versorgte Palliativpatienten hätten Zugriff auf ausreichend tödliche Medikamente, betrifft wiederum privilegierte Personen, die über genug Kenntnisse der Wirksamkeit ihrer Medikamente verfügen und noch in der Lage sind, diese einzunehmen. Weiter argumentiert Deckert mit der Frage eines schwerkranken Patienten nach seinem „Wert“. Menschen (Patienten), die diese Frage stellen, kann man damit trösten, dass alle Menschen ein Recht zu leben haben und deshalb alle immer gleich viel oder gleich wenig „wert“ sind.

Wer mit dem Wert eines Menschen argumentiert, ist schnell bei der Kategorie „unwert“. So auch Deckert. Die Kategorie Wert kommt bei de Ridder nicht vor. Weiter setzt Deckert den Sterbewunsch eines psychisch kranken Menschen mit dem eines schwerstkranken, „terminal Kranken“, wie er sagt, gleich. Das halte ich für falsch. De Ridder spricht dagegen von Leidensmüdigkeit im Gegensatz zu Lebensmüdigkeit. Deckert äußert, dass in Oregon (USA), wo ärztliche Suizidassistenz möglich ist, die Zahl der berichteten Fälle von Sterbehilfe stetig zunehme. M. de Ridder berichtet, dass in Oregon die Nachfrage hingegen rückläufig sei und es zu keinem „Nachahmerverhalten“ käme.

Deckerts Argumentation bedeutet, eine von Menschen gewünschte und ersehnte Hilfe darf nicht stattfinden, da sie sich zu Missbrauch ausweiten könnte. Er räumt einem schwerstkranken Menschen nicht das Recht ein, auf sein Recht auf Leben verzichten zu dürfen. Die Gedanken von de Ridder wirken auf mich menschenfreundlicher und gütiger und deshalb auch mutiger. BEATE SCHMIDT, Borchen

Bürger, öffnet die Augen!

■ betr.: „Politik und Tugend“, taz vom 25. 1. 14

In dem Artikel betont Mark Terkessidis vor allem die Notwendigkeit der Tugend in der Elite der Politik. Er bezog diese Tugend auf die Ideologie Robespierres. Herr Terkessidis vermisst diese Tugend, so schreibt er zum Beispiel, dass diese Tugend eine Voraussetzung sei für eine „gute Regierung“ oder dass ein Mangel an Tugend die Demokratie langsam „aushöhlt“. Die Demokratie wird allerdings vom Volk größtenteils kontrolliert, daher höhlt diese Tugend die Demokratie nur indirekt aus.

Über die Durchsetzung dieser Tugend wird nicht viel geschrieben, die Menschen, die nicht „tugendhaft“ genug waren, wurden oftmals mit der Guillotine geköpft. Robespierre war damals Mitglied beim Wohlfahrtsausschuss während der Terrorherrschaft von 1792 bis 1794. Nach der Hinrichtung des Königs war die Republik bedroht, dies nutzte Robespierre aus. Neben der Tugend war auch die Schreckensherrschaft ein prägender Begriff der damaligen Zeit. Unter Robespierre mussten die Leute oft Angst haben, da diese Tugend nicht ohne den Terror funktionierte. Diese Schreckensherrschaft war unter der Leitung Robespierres.

Mit einer unmenschlichen Radikalität beeinflusste Robespierre die französische Geschichte. Er ließ Tausende politische und gesellschaftliche Gegner hinrichten. Es wurden so viele Menschen hingerichtet, dass Robespierre schnell den Spitznamen „Blutrichter“ hatte. Kann man jemanden zitieren, bei dem auf brutalste Weise der Zweck die Mittel heiligte? Robespierre war eine sehr ambivalente Figur, er verstand es, Leute für sich zu gewinnen und anders Denkende aus dem Weg zu schaffen. Wenn man diese Tugend nur oberflächlich analysiert, klingt sie ganz gut, aber durch dieses gefährliche Halbwissen entstehen oft Missverständnisse. Die Bürger und Autoren sollten die Augen öffnen und schauen, was sich hinter solchen moralischen Argumenten wirklich befindet. JULIAN MINZER, NINA GANTERT, SIMON TIM OHNHEISER, FABIAN RIEGER, Jahrgangsstufe 2, Wirtschaftsgymnasium Waldshut