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Archiv-Artikel

LESERINNENBRIEFE

Das Kindeswohl ernst nehmen

■ betr.: „Im Namen des Vaters“, taz vom 4. 8. 10

Die Entscheidung, Väter zu gleichen Teilen an der Erziehungsarbeit zu beteiligen, ist grundsätzlich zu begrüßen. Es gibt Eltern, die organisieren nach der Trennung die gemeinsame Sorge im Sinne ihrer Kinder – unabhängig von der Gesetzeslage. In vielen Fällen gelingt das aber nicht. Jugendämter und Familiengerichte beschäftigen sich in großer Zahl mit der Herbeiführung von Sorge- und Umgangsregelungen im Sinne des Kindeswohls.

Eine ganz besondere Situation stellen in diesem Zusammenhang Beziehungen dar, in denen Männer gewalttätig gegen ihre Frauen und/oder Kinder waren. Auch in diesen Fällen haben bei der derzeitigen Gesetzeslage die Väter ein Umgangsrecht. Bei der Ausübung dieses Umgangsrechts kommt es nicht selten zu erneuten gewalttätigen Übergriffen oder Kindesentziehungen. Die Situation ist für die betroffenen Frauen und Kinder extrem belastend und in der Regel auch nicht im Sinne des Kindeswohls. Die Hürden davor, ein Umgangsrecht auszusetzen oder gar ganz zu unterbinden, sind jedoch sehr hoch. Die angestrebte Gesetzesänderung würde in diesen Fällen die Situation noch mehr verschärfen und die Möglichkeiten des Machtmissbrauchs nahezu uneingeschränkt zulassen. Eine Gesetzesneuauflage könnte all diese Aspekte berücksichtigen, könnte Kriterien festlegen, die potenziell Sorgeberechtigte erfüllen müssen, wie z. B. Verantwortung, emotionale Bindung an das Kind, finanzielle Unterstützung etc. Es bleibt zu hoffen, dass dieses Gesetz unter dem Druck des Bundesverfassungsgerichtsurteils nicht mit heißer Nadel gestrickt wird, sondern das Kindeswohl wirklich ernst nimmt.

BEATRICE TAPPMEIER, Mitarbeiterin im Frauenhaus in Bielefeld

„Entväterung“

■ betr.: „Zu wenig Schutz vor prügelnden Vätern“, taz vom 11. 8. 10

Selbstverständlich müssen Gewaltopfer geschützt werden. Und es ist eine berechtigte Forderung, dass Frauenhausadressen geheim bleiben müssen. Aber wenn es um die Kinder geht, um elterliche Sorge, dann steht das eben hintenan und nicht vornean. Dann muss der Kontakt eben über Dritte wie Großeltern oder Jugendamt gewährleistet werden. Denn die Strafe für Körperverletzung heißt nicht: lebenslanger Kinderentzug oder Entväterung.

JÖRG RUPP, Malsch

Datenkrake Google

■ betr.: „Wuppertal ist Mexiko“, taz vom 11. 8. 10

Ich stelle mir vor: Bullen und fiese Verfassungsschützer würden die Republik für ihren Sicherheitswahn Straße für Straße, Haus für Haus fotografisch in 3-D erfassen. Nicht denkbar?

Nicht notwendig! Sie müssen nur „googeln“. Die Datenkrake Google macht einen weiteren Verlust von bürgerlichen Freiheitsrechten möglich. Begrüßen kann das nur, wer sich in virtuellen Zwangsräumen wohler fühlt als im realen Leben.

EVA SCHIEBLER, Frankfurt am Main

Haus wird Teil der Persönlichkeit

■ betr.: „Wuppertal ist Mexiko“, taz vom 11. 8. 10

Beim Auto hat sich das Ich des Besitzers umgangssprachlich bereits auf den Bereich seines Autos erweitert. Das wird an folgendem Dialog deutlich. Unterhalten sich Autofahrer und fragt der eine: „Wo stehst du?“, so antwortet der andere in etwa: „Ich stehe drüben im Parkhaus!“ Gemeint ist das Auto, gesagt aber wird „ich“.

Eine ähnliche Verschmelzung scheint sich bei manchen Hausbesitzenden vollzogen zu haben. Das Haus wird zum Teil der Persönlichkeit, und das Filmen ist dann eine Verletzung der Persönlichkeitsrechte. Kommunikation und Kooperation sind die entscheidenden Instrumente, mit denen sich Zivilisationen weiterentwickeln und ihre Probleme lösen können. Wenn Haus- und Grundbesitz, wie es jetzt in Deutschland vielerorts geschieht, Ideen hervorbringt, Information und Kommunikation einzuschränken, dann muss über das Privateigentum an Boden neu diskutiert werden. Dass in unserer Gesellschaft die Vermarktung und das Eigentum an Grund und Boden Usus ist, heißt ja nicht, dass das auch normal ist.

ERICH LUTZ, Freiburg

Persönliche Rechte nicht bedroht

■ betr.: „ ‚Street View‘ kommt frühestens im Oktober“, taz vom 13. 8. 10

Die Berichterstattung ist mir zu einseitig. Ich kann zunächst keine Bedrohung meiner persönlichen Rechte in dem Umstand entdecken, dass das von mir bewohnte Haus im Internet sichtbar sein wird. Hausfassaden sind Bestandteil des öffentlichen Raums. Es scheint mir, dass hier letztlich eine undifferenzierte und emotional aufgebauschte Debatte geführt wird, die eigentlich eine Stellvertreterposition für die generelle Sorge und Unsicherheit hinsichtlich des Umgangs mit persönlichen Daten im Internet resp. durch Google einnimmt.

ROLAND BRÜHE, Köln