LESERINNENBRIEFE :
Heilung und Strafe trennen
■ betr.: „Das letzte Wort“, taz nord vom 21. / 22. 8. 2010
Für mich ist es sehr wohl eine Frage, ob Gero S. „ein Fall für die Psychiatrie“ ist. In Ihrem Beitrag bringen Sie, ganz im Einklang mit den sprachlichen Usancen von Staatsanwaltschaft, Verteidigung, Gutachtern und der Mehrheit der Bevölkerung, Begriffe aus zwei unterschiedlichen Kontexten durcheinander: Heilung und Therapie einerseits, Strafe und Kontrolle andererseits – sie sind meiner fast 40-jährigen Erfahrung im psychiatrischen Feld und Umfeld nach inkompatibel. In eine Klinik, in ein Krankenhaus gehen Kranke, die geheilt werden wollen. In eine Strafanstalt geht man gar nicht, man wird unter Zwang dorthin gebracht.
Wenn jemand als schuldig, böse, „bad“ definiert wird wie Gero S., dann gibt es derzeit tatsächlich nur die juristische Antwort „Strafe!“. Wenn derjenige dann in der Strafanstalt feststellen sollte, dass er seelisch leidet, sich krank, verrückt („mad“) einschätzt: Nur dann sollte ihm stundenweise passende Hilfe gewährt werden – jenseits der Anstaltsmauern und unter Wahrung der Schweigepflicht (!) seitens des Therapeuten. CHRISTIAN MICHELSEN, Bremen
Profite für die Anbieter
■ „Patienten zweiter Klasse“, taz nord vom 11. 8. 2010
Für den Geschäftsführer der schleswig-holsteinischen Krankenhausgesellschaft bedeutet es schon eine Portion Mut, die in Deutschland ausschließlich aus wirtschaftlichem Interesse der Ärzteschaft fest verankerte Trennung zwischen ambulanter und stationärer Behandlung zu durchbrechen. Herr Krämer irrt allerdings mit seinem Statement, „der Fehler liege nicht im System und habe auch nichts mit wirtschaftlichen Zwängen zu tun“. Das Gegenteil ist der Fall: Das deutsche Gesundheitssystem ist privatwirtschaftlich organisiert und auf Profitmaximierung für die Anbieter aufgebaut. Die Kliniklandschaft beherrschen vier große Konzernketten: Asklepios, Helios, Sana und Rhön.
Fast in allen Bundesländern – einzige Ausnahme ist Bremen – wurden die kommunalen Kliniken an private Träger verkauft. Durch den Sicherstellungsauftrag, übertragen auf die Ärzteorganisationen, haben die Gesundheitsminister nur einen sehr geringen Einfluss auf die gesundheitliche Versorgung der Bevölkerung. Alle Versuche, Änderungen durchzusetzen, sind im Bundestag gescheitert. Deutschland ist der einzige europäische Staat, der die Bestechung von Abgeordneten nicht unter Strafe stellt. ANNE ALBERS, Bremen