LESERINNENBRIEFE :
Kultur in Namibia
■ betr.: „Die berührende Kraft der Kunst“, taz vom 23. 8. 10
Eine reiche oral history, traditioneller und moderner Tanz, eine der weltweit wohl interessantesten Chorszenen, Akrobatik, Rhythmik, Painting, Graffiti, Skulptur, Drama und so viel mehr – das ist ein Teil Namibias und der Namibier!
Wenn die Autorin sich schon hinsichtlich Schlingensiefs Namibia-Projekt über die „vielen schwarzen Namibier, die den Animatographen als willkommene Abwechslung in einem Leben begreifen, das sonst keine Kultur für sie bereithält“, auslässt, dann sei mindestens zweierlei angeraten: Zunächst sollte universell der eigene Begriff von einer (offenbar eurozentrisch geprägten, irgendwie von irgendwem „bereitzuhaltenden“) Kultur kritisch reflektiert werden.
Danach gilt es konkret, sich über Namibia selbst zu informieren. Dort finden nämlich reichhaltige Aktivitäten statt, welche sowohl einem kritisch zu reflektierenden Begriff von „Kultur“ selbst genügen, als auch das westliche Vorstellungsvermögen noch überschreiten.
Der Frage nachzugehen, warum nun gerade wirklich „schwarze Namibier“ den Schlingensief’schen Animatographen in der Wüste angeschaut haben, könnte spannende Antworten hinsichtlich der (auch globalen) Verteilungsgerechtigkeit aufwerfen, und das wäre doch wohl schon wieder in Schlingensiefs Sinne?
JAN HENNING MÜLLER, Oldenburg
Kritisch genug?
■ betr.: „Die deutsche Mangelwirtschaft“, taz vom 25. 8. 10
Wer sind „wir“ denn? Wir sind taz-MacherInnen und taz-LeserInnen! Aber nicht die „heimische Wirtschaft“, oder? Natürlich sind wir „migrationsoffen“, aber wieso sollen wir uns die Interessen der Wirtschaft zu eigen machen, für die Arbeitsmigration gerade hilfreich wäre? Bloß weil die doofe CDU es selbst nicht merkt? Sollten wir nicht überlegen, ob Wirtschaftswachstum angesichts begrenzter Ressourcen noch aktuell ist? Und was wirklich in unserem Interesse als solidarische Gesellschaft und Bewohner dieses Planeten ist? Sind wir kritisch genug?
SABINE LEHMANN, Bochum
Halbherzig
■ betr.: „Unterstützung für Hungerstreik“, taz vom 27. 8. 10
Vielen Dank für den Bericht.
Die Praxis Israels, im völkerrechtswidrig annektierten Ostjerusalem die arabischen Bewohner mit allen Mitteln zu vertreiben, ist bekannt. Ostjerusalem wird international nicht als Teil Israels anerkannt, auch nicht von der Bundesrepublik. Deshalb ist das Verhalten der parlamentarischen „Unterstützer“ von Firas Maraghy so halbherzig und verlogen. Es gibt keine „rechtliche“ Regelung für das Vorgehen der Israelis! Das Vorgehen ist unrechtmäßig und menschenverachtend.
PETER FREUDENTHAL, Hamburg
Zu wenige Arbeitslose?
■ betr.: „Scheuklappen der Union“, taz vom 25. 8. 10
„Kaum springt die Konjunktur wieder an, fehlen der Wirtschaft die Fachkräfte“, beginnt S. am Orde ihren Kommentar, ohne solch eine Aussage auch nur im Ansatz kritisch zu hinterfragen. Es könnte sein, nachdem die weniger Qualifizierten in Billigjobs und Zeitarbeit abgedrängt sind, dass die organisierte Wirtschaft vielleicht Lohn und Arbeitnehmerrechte der gut Qualifizierten drücken will. Schön, wenn man da ein Heer von Einwanderern für solche Pläne nutzen kann. Gespart hätte man sich dann auch die Kosten für Ausbildung; und wenn die ausländischen Fachkräfte nicht mehr gebraucht werden sollten, kann man sich ihrer wohl wieder recht flott entledigen. Wieso fehlen der Wirtschaft Fachkräfte, wenn von den über 60-Jährigen nur 20 Prozent erwerbstätig sind? Und gibt es in Deutschland zu wenige Arbeitslose? Klar, Deutschland braucht ein liberales Einwanderungsgesetz, aber das ist ein anderes Thema. ERICH LUTZ, Freiburg
Glocken läuten für Sarrazin
■ betr.: „Das Problem Sarrazin“, taz vom 26. 8. 10
Herzlichen Dank, Herr Sarrazin, dass Sie unbequeme Wahrheiten ansprechen und jahrzehntelange Tabus brechen. Wir müssen die deutsche Gebärfreude dringend erhöhen, sonst sind wir tatsächlich bald ein Raum ohne Volk. Also raus mit den Mutterkreuzen und frisch ran ans Werk.
Wegweisend auch ihre Analyse der Bildungspolitik, obwohl sie auf halbem Weg stehen bleiben, denn neben die Ganztagsschulen muss eine straffe Jugendorganisation treten, von den Pimpfen bis zur Sarrazin-Jugend. Vortrefflich ist auch Ihre Religionsanalyse. Es hat lange gedauert, bis in Deutschland jemand wieder den Mut aufbringt, die alte Wahrheit der 30er Jahre des letzten Jahrhunderts deutlich anzusprechen, dass Deutschland zugrunde gerichtet wird durch die Mitglieder einer nichtchristlichen monotheistischen Religion. Darum, bevor der Muezzin ruft, Glocken läuten für Sarrazin.
TOBIAS POHL, Frankfurt am Main