LESERINNENBRIEFE :
Übliche Euphorie
■ betr.: „Ein tolles Haus für die taz“, taz vom 12. 7. 14
Die taz als kritische Zeitung sollte auch bei Ihrem eigenen Neubau nicht in die übliche Euphorie des Höhlenbauens verfallen. Zitat: „19,937 Millionen Euro kostet der Neubau.“ Ähnliche Behauptungen haben wir auch schon bei der Elbphilharmonie und beim Großflughafen BER gehört. Ehrlicher wäre es zu sagen: Der Neubau wird derzeit mit circa 20 Millionen Euro eingeschätzt, durch erhebliche unvorhersehbare Risiken wie Baupreis, Planung, Baugrund etc. können es auch einige Millionen mehr werden. Schließlich ist ein Neubau ein unbekanntes Projekt und keine Dose Erbsen, die man bei Aldi zu einem Festpreis kaufen kann! CARSTEN SCHNOOR, Bremen
Eiswürfel im Einkaufsnetz
■ betr.: „Ein tolles Haus für die taz“, taz vom 12. 7. 14
Dass es Architekten gibt, denen bei zeitgemäßer Netzwerkarbeit und Kommunikation in Form einer überragenden und beispielhaften Medienredaktion nur ein riesiger Eiswürfel im Einkaufsnetz einfällt, ist mir vertraut. Dass es aber heutzutage noch eine Jury gibt, die diesen Entwurf als den besten von 310 Vorschlägen auswählt, lässt mich ein Stadtbild imaginieren, bei dem es mir eiskalt den Rücken runterläuft. Ein Glaskubus im Stahlkäfig ist Sinnbild und Architektur der Vergangenheit. Die zeitgemäße, nachhaltige Architektur stellt sich anders dar, gute Beispiele gibt es genug. Ich hoffe, dass ihr die Stirn und die Möglichkeit habt, dieses Wettbewerbsergebnis nicht umzusetzen. ULRICH STORBECK, Verden
Wahre männliche Freundschaft
■ betr.: „Intimes von der Front“, taz vom 14. 7. 14
Ins Bild passt der englische Lyriker Wilfred Owen (1893–1918), dessen Homosexualität von Familie und Biografen lange Zeit vertuscht wurde. Owen starb 25-jährig eine Woche vor dem Waffenstillstand in Frankreich, und sein letzter Brief an seine Mutter, geschrieben auf dem Sterbelager, endet mit dem Satz: „Of this I am certain you could not be visited by a band of friends half so fine as surround me here.“
Im Krieg, angesichts des Todes, entfaltet sich wahre männliche Freundschaft – den weiblichen Blick auf dieses Phänomen vertritt Owens Landsmännin Vera Brittain, im selben Jahr geboren wie er, Oxford-Studentin und als Krankenschwester an der Front. In ihrer Autobiografie „Testament of Youth“ spricht sie ebenfalls von der Intensität des Erlebens, dem geschärften Bewusstsein, vom Glanz und der Magie des Lebens im Angesicht des Todes, vom verführerischen Gemeinschaftserlebnis – doch sieht sie, als Frau, die alle ihre Freunde im Krieg verlor, die Verlogenheit dieser flüchtigen Verführung. Ihr Fazit: Solange dieses legitime menschliche Bedürfnis nach „Loveliness“ nicht im „normalen“ Leben ernst genommen und konstruktiv in Politik und Gesellschaft integriert wird, ist unser letzter Rest von Zivilisation nicht zu retten. CHRISTINE HOEFER, Osnabrück
Inszenierung ohne viel Gemüt
■ betr.: „ZDF-Manipulation: Besser schieben“, taz vom 15. 7. 14
Die bis dato zweiteilige ZDF-Show „Deutschlands Beste!“ war allenthalben eine Inszenierung ohne viel Gemüt nebst noch weniger Verstand, mit einer Art und Weise à la RTL und Co. zudem so überflüssig wie ein Kropf. Hinzu kommt – wieder einmal und wegen der arglistigen „Stimmungsmache“ auf jeden Fall zu Recht – der Ärger über die Ver(sch)wendung der zwangsfinanzierten Rundfunkbeiträge. Das diese nicht nur wegen falscher Umfragewerte ziemlich derangierte Sendung zu allem Übel auch noch von Johannes B. Kerner, dem Moderator mit der anpassungsfähigsten Profilschärfe im deutschen Fernsehen, präsentiert wurde, dürfte die Willfährigkeit und Nervenkraft der Zuschauer kaum bereichert haben. Wenn der Rundfunkstaatsvertrag nicht immer mehr zum Recht ohne Pflicht verkommen soll, ist es an der Zeit, dass die inhaltliche Systematik der öffentlich-rechtlichen Sendungen verbessert oder die Finanzierung der öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten zugunsten des leidgeprüften Publikums geändert wird. MATTHIAS BARTSCH, Lichtenau-Herbram
Drohender Staatsbankrott
■ betr.: „Argentiniens Schulden: Verhandeln mit Hedgefonds“, taz.de vom 21. 6. 14
Ein New Yorker Richter wird es zu verantworten haben, sollte der argentinische Staat ein weiteres Mal bankrottgehen. Mit der Änderung der Rückzahlungsreihenfolge greift das Urteil nicht nur in die Hoheitsrechte des lateinamerikanischen Landes ein, sondern torpediert auch dessen Versuche, sich zum verlässlichen Schuldner zu läutern. Nach dem Bail-out vor 13 Jahren mussten die Gläubiger naturgemäß Abschläge in ihren Schuldtitelbeständen in Kauf nehmen – der Ernstfall, für den sie jahrezehntelang Risikoprämien kassiert hatten, war eingetreten. Seitdem wurden argentinische Auslandsschulden pünktlich zurückgezahlt, der IWF gar früher als geplant entschädigt. Das nun gefällte US-Urteil zieht ungerechte und vor allem unerwartete Zahlungsverpflichtungen nach sich, für die kaum ein Staat gewappnet wäre. Dass es den Argentiniern verbietet, vertraglich vereinbarte Überweisungen zu leisten bevor nicht Hedgefonds entschädigt werden, welche Anleihen auf dem Spekulantenmarkt von abgesprungenen Gläubigern für einen Bruchteil des Nennwerts erworben haben, darf als unmoralisch bezeichnet werden. Wie Bail-out-Verhandlungen vor diesem Hintergrund künftig noch geführt werden können, steht in den Sternen. JOSEF ALKATOUT, London