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Archiv-Artikel

LESERINNENBRIEFE

Werbung für BDSM

■ betr.: „Die Gesellschaft und ihre Doppelmoral“, taz vom 22. 7. 14

Habe ich das jetzt wirklich alles richtig verstanden? 1. Es gibt eine feine, kleine, freundliche BDSM-Messe im schönen Schwabing, die auf Neugierige hofft. Die taz will helfen, dass sich BDSM zu einem „aufsteigenden Business“ entwickelt. 2. Die Rollenverteilung bei BDSM spiegelt gesellschaftliche Machtverhältnisse wider, indem Frauen dort vor allem devote Rollen spielen. 3. Es gibt Untersuchungen über psychische Störungen und BDSM. 4. Es ist möglich, dass ich, eine Frau, noch nicht selbstbewusst entdeckt habe, dass ich auf Spiele mit Schmerz und Unterwerfung stehe. 5. Wenn ich Scham und Schuld bei mir entdecke, sucht meine Therapeutin fälschlicherweise nach einem Trauma. 6. Die Gesellschaft, die einen regen Austausch über Gewalt an Frauen pflegt, unterstellt mir, die ich mich schäme und schuldig fühle, einen Mangel an Empathie für Frauen, die Gewalt erfahren haben. 7. Es ist in dieser Sparte möglich, was in keinem anderen gesellschaftlichen Bereich Sinn macht: Selbstbestimmt, frei und demokratisch „unterwürfig“ zu sein. BIRGIT KÜBLER, Regensburg

Meine Chancen habe ich genutzt

■ betr.: „Willst du, dass wir sterben?“, taz vom 16. 7. 14

Sehr geehrter Herr Lohre, für Ihren Beitrag möchte ich mich herzlich bedanken. Das Gefühl, mein Leben gar nicht gelebt zu haben, kenne ich genau. Jetzt bin 76 Jahre alt, habe mein Berufsleben mit 14 begonnen und mit 62 beendet. Was jungen Menschen heute alles ermöglicht wird, ist schon beneidenswert. Ich hätte gerne viel mehr gelernt und auch studiert, ging aber nicht, das (Über-)Leben musste organisiert werden. Als ich 1952 in Westdeutschland nach acht Jahren aus der Volksschule entlassen wurde, als Ostzonenflüchtlingsmädchen, hatte ich keine Chance für eine Berufsausbildung, keine Wohnung. Aber ich will mich nicht beschweren, meine Chancen habe ich genutzt. Nur von der nachfolgenden Generation lass ich mir nicht vorhalten, auf ihre Kosten zu leben. Seit den siebziger Jahren ist mein Wahlspruch: „Dann mach ich mir nen Schlitz ins Kleid und find es wunderbar“ (Ingrid Steeger). HANNA KÖSTER

Himmelschreiende Heuchelei

■ betr.: „US-Vorwürfe an Moskau“, taz vom 21. 7. 14

Bei aller Empörung und notwendigen Kritik im Zusammenhang mit dem Abschuss der malaysischen Verkehrsmaschine und den skandalösen Behinderungen bei der Aufklärung der Ursachen sollte die himmelschreiende Heuchelei, insbesondere der US-Regierung, nicht völlig ignoriert werden. Im Juli 1988 wurde eine iranische Linienmaschine vom Typ Airbus A 300 von einer amerikanischen Flugabwehrrakete abgeschossen. Dabei kamen 290 Menschen zu Tode. Die damalige Bush-Regierung verharmloste dies mit dem zynischen Hinweis, dass es sich um einen Zwischenfall in Kriegszeiten gehandelt habe. Acht Jahre später erst kam es zu Entschädigungszahlungen, die vor dem Internationalen Gerichtshof erstritten werden mussten. Eine formale Verantwortung und eine Entschuldigung hierfür aber hat die US-Regierung bis heute abgelehnt.

PETER MICHEL, Ravensburg

Unbeugsame Rechtsterroristin

■ betr.: „Letzter Ausweg: Reden“, taz vom 18. 7. 14

„Will Zschäpe nicht als unbeugsame Rechtsterroristin in die Geschichtsbücher eingehen, würde es also Sinn machen, ihre Sicht zu erzählen.“ So kommentiert Konrad Litschko die neueste Entwicklung im NSU-Prozess und spricht dabei von einer erhofften „Geste an die Angehörigen der Opfer“. Vielleicht sollten die Prozessbeobachter einfach einmal in Erwägung ziehen, dass Zschäpe es nicht als Beleidigung, sondern als Kompliment ansieht, eine unbeugsame Rechtsterroristin genannt zu werden. Es ist nicht erkennbar, dass sie irgendeine ihrer vermutlichen Taten bedauert. Es gehörte offensichtlich zu den Absichten dieser Morde, Angst und Schrecken zu verbreiten. Welche Art von Gesten gegenüber den Angehörigen erwartet man denn? Etwa ein „Es tut mir leid?“ Der Kommentar unterstellt Zschäpe und anderen Neonazis Regungen und Gefühle, die diese bei ihren Taten nicht haben. KAJO BREUER, Saarbrücken

Ein Viertel der Toten sind Kinder

■ betr.: „Fluchtmöglichkeiten schaffen“, taz vom 22. 7. 14

Es stimmt nicht, dass es es trotz Warnungen durch Flugblattabwurf und „Anklopfen“ durch den Abwurf kleinerer Raketen „immer wieder zu Toten und Verletzten kommt“, wie Susanne Knaul schreibt, ganz so als ob das die Ausnahme wäre, sondern Tatsache ist, dass die meisten der Opfer Zivilisten sind. Der norwegische Arzt Dr. Mads Gilbert, der im Shifa Hospital in Gaza arbeitet, sagt in einem Interview in der englischsprachigen al-Ahram gestern: „Schockierend ist, dass die Israelis Appartment-Blocks Straßenzug um Straßenzug bombardieren, egal ob sich Menschen darin befanden oder nicht.“ Auch heute Morgen in einem Interview, das er dem BBC-Worldservice gegeben hat, verwies er darauf, dass die meisten der Opfer, die in die Krankenhäuser gebracht werden, Zivilisten seien. Ein Viertel der Toten bisher seien Kinder. So sehen also Präzisionsschläge der israelischen Armee aus. Man muss schon naiv sein oder absichtlich Augenwischerei betreiben, um zu behaupten, dass Tausende von Menschen sich über von Schutt bedeckte Straßen mal eben retten könnten, wenn nur die Grenze zu Ägypten geöffnet werden würde.

MANUELA KUNKEL, Stuttgart