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Archiv-Artikel

LESERINNENBRIEFE

Berliner Gejammer

■ betr.: „Sei erwachsen“, taz vom 18./19. 6. 11

Als Bonner finde ich das nicht enden wollende Gejammer der Berliner/innen über die Unvollständigkeit des Regierungsumzugs völlig Banane. Hat man sich da nach Subventionen (West) oder Hauptstadt der DDR (Ost) was Neues versprochen, um besser als der Rest der jeweiligen Republik gestellt zu werden? Ist nicht ein einziger Afghanistanflug aufwendiger als die fliegenden Ministerialen?

Ein Vertrag und ein Beschluss sind einzuhalten. Auch mit den restlichen Bundesbehörden ist Berlin nicht zu helfen, es ist einfach zehnmal größer als Bonn und kann somit relativ nur wenig profitieren, außer mit noch mehr Gentrifizierung.

Vielleicht hätte Berlin damals besser Post und Telekom genommen – aber aus westlicher Sicht ist denen der Status immer wichtiger gewesen als die Substanz. Wenn man hier wie dort besser leben will, sollte man auf unnötige Kriege verzichten – das hilft auch der Umwelt – und die Finanzierung der Kommunen und Länder verbessern – wie wäre es mit dieser solidarischen Forderung an unsere steuersenkungsbesessenen Bonzen? GUIDO BLEY, Bonn

Eckig und sperrig

■ betr.: „Frauen gegen Frauen“, taz vom 20. 6. 11

Pimp up your Gender! Fallen Feministinnen einander in den Rücken? Ja! Weil sie sich so schön gegeneinander ausspielen lassen. Eine Frau, die „gut gelaunt“ und „jung“ ist, wie Susanne Klingner schreibt, eckt in unserer Gesellschaft nicht allzu sehr an. Doch was ist, wenn ich eckig und sperrig bin, wütend statt angepasst? Ich kann mir sicher sein, dass da immer eine ist, die kulleräugig erklärt, dass sie gar nicht so garstig ist, es nicht nötig hat, nett ist und trotzdem total emanzipiert, das „all-in-one package“ in Sachen Feminismus.

„Alpha“: stark und selbstbewusst, „Mädchen“: anschmiegsam und süß. Das klingt so allgemeinverträglich, dass man(n) einfach nichts dagegen haben kann. Man könnte auch an „Vorzeige-“ oder „Mustermädchen“ denken.

Ich mag die Rolle des „Alphamädchens“ jedenfalls nicht so. Können wir uns nicht damit begnügen, normale Frauen zu sein, die – klar – lachen und lustig sein wollen, aber eben auch „frustriert“ sind, weil „sich doch so ätzend wenig tut in Sachen Gleichberechtigung“, wie Klingner es in ihrer Kolumne treffend auf den Punkt gebracht hat?! Deshalb: Packen wir es an! Gemeinsam! DANIELA HÖHN, Berlin

Ehrlich und unverstellt

■ betr.: „Auf Wiedersehen in Europa“, taz vom 18./19. 6. 11

Danke, Ivan Ivanji, für diesen wunderbaren Artikel. Selten habe ich etwas so Ehrliches, Verständliches und Unverstelltes über den Zerfall Jugoslawiens gelesen. Im vorletzten Absatz schreibt Herr Ivanji, für die Analyse der jeweiligen exjugoslawischen Länder bräuchte er je eine Seite der taz. Ich würde es sehr begrüßen, wenn er diese bekommt. KARIN REICH, Biberach

Weg mit der Knotenfrisur

■ betr.: ©TOM-Karikatur, taz-Wahrheit vom 21. 6. 11

Lieber Tom, Oma wünscht sich einen geschniegelt-braven Kurzhaar-Enkel? Heute noch? Jetzt, wo die Achtundsechziger heftig ins Großelternalter kommen, wird es hohe Zeit, die uralten Oma-Klischees von Ohrensessel, Knotenfrisur und Strickzeug über Bord zu werfen und sich neue Oma-Bilder auszudenken! STEFAN HOCK, Padua, Italien

Schock-Strategie

■ betr.: „Liebe Banker: Spendet für den Euro“, taz vom 21. 6. 11

Naomi Klein beschreibt in ihrem Buch „Die Schock-Strategie“ (2007), wie internationale Finanzinstitutionen, Banken und marktliberale Politiker wirtschaftliche, soziale und politische Krisensituationen nutzen, um tiefgreifende Transformationen („Reformen“) zu erzwingen. Die „Schock-Strategie“ besteht darin, den Problemlösungsdruck der Krise mit der Durchsetzung eigener wirtschaftlicher Interessen zu verbinden und so einen gesellschaftlichen „Schock“-Zustand zu erzeugen, bei dem demokratische Kontrolle und zivilgesellschaftliche Opposition ausgeschaltet werden.

Die finanz- und wirtschaftspolitischen Akteure weisen später jede Verantwortung für die desaströsen Folgen ihrer „Reformen“ weit von sich und ideologisieren ihre Geschäftsinteressen und deren Auswirkungen zu allgemeinen „Sachzwängen“. So in Griechenland: Die finanzpolitischen Akteure, die ein Jahr nach Erscheinen von Kleins Buch durch ihr ganz normales Geschäftsverhalten (Proft! Profit! Profit!) die weltweite Finanzkrise auslösten, drängen nun auf marktradikale Einschnitte, auch gegen den Willen des angeblichen Souveräns vor Ort – reine Erpressung mit den Fakten des eigenen Handelns. Was in Griechenland Sache ist, entscheiden jetzt die Gläubiger von Brüssel, Frankfurt, London und New York aus, wo das Casino der Banker derweil ungerührt weiterläuft. CHRISTIAN BOLDT, Bielefeld