LESERINNENBRIEFE :
Mehr als eine Funktionärsstadt
■ betr.: „Mauerbau hat noch Fans“, taz vom 4. 8. 11
Herr Flierl (Linkspartei) hat sicher recht, dass die Mauer ein „verfehltes Mittel“ zur Stabilisierung der DDR war, doch den Vogel schießt der „Leiter des Forschungsverbundes SED-Staat an der FU“ ab: „Ostberlin war eine reine Funktionärsstadt“. Glaubt Herr Professor, dass die DDR-Regierung kein Personal hatte? Maschinenbau, Elektro-, Chemie-, Textil- und Leichtindustrie gab es dort wohl nicht? Die 1,2 Millionen Einwohner: alle privilegierte Funktionäre? Gesundheits-, Bildungs- und Bauwesen, Straßen-, S- ,U- und Reichsbahn hatten kein Personal? „Ost-Berlin war Schwerpunkt der industriellen Produktion für die DDR-Wirtschaft.“ Nach 1990 wurde es (wie die DDR) „kaum als Produktionsgebiet weiter genutzt, Tausende von Betrieben und Hunderttausende von Arbeitsplätzen sind verloren gegangen.“(Wikipedia). So ein Mann leitet den „Forschungsverbund SED-Staat“!
HEINZ HACKELBERG, Berlin
Banalitäten und sinnfreie Slogans
■ betr.: „Wahlkampfkeule“, taz vom 8. 8. 11
Ich wehre mich dagegen, auf Schritt und Tritt von wildfremden Menschen auf Wahlplakaten angegrinst zu werden. Die SPD hat es sich offensichtlich zur Aufgabe gemacht, Berlin zu verstehen. Dazu werden dann Väter in schicken Hemden mit Handy in der einen Hand und Baby in der anderen präsentiert. Ich frage mich allerdings, was die SPD da verstanden hat? Dass es berufstätige Väter gibt, die sich auch gern um ihre Kinder kümmern? Oder noch besser der Slogan „Hertha und Union“. Was hat denn die SPD da verstanden? Dass es in dieser Stadt zwei große Fußballvereine gibt?
Ein Beispiel aus dem Wahlprogramm der FDP vergleicht die Diskussion um die Einführung der Einheitsschule mit der Fußball-Liga: Auch hier würde doch sicherlich niemand eine Einheitsliga wollen. Damit auch der Haupt- und Realschüler versteht, warum er leider nur Bildung zweiter Klasse erhält und das auch noch gut zu finden hat, wird ihm das mal eben von der FDP anhand des Fußballs erklärt: nicht gut genug, ab in die 2. Liga (also auf die Haupt- oder Realschule).
Die CDU verzichtet gleich komplett auf Aussagen. Da grinst an jeder Laterne in Kreuzberg das Gesicht eines Mannes mit türkischem Namen neben den Worten: „Gerade. Richtig. Für Kreuzberg. Mein Kiez.“ Für diese Sprachkreationen und diese Tiefe des Ausdrucks hat vermutlich eine Werbefirma eine Menge Geld erhalten. Auf ein Verb wurde getrost verzichtet, da könnte man ja sonst auf die Idee kommen, dass Politik etwas mit Handeln zu tun hat.
Die Grünen haben in Kreuzberg einen Kandidaten mit türkischem Namen und Doktortitel! Das soll wohl Bildungsbürger und Migranten gleichermaßen entzücken. Dabei weiß doch mittlerweile jeder, dass ein Doktortitel nicht automatisch den guten Politiker macht.
Ich bin empört über diese Art der Wahlwerbung, denn sie beleidigt die Vernunft, die Idee der Demokratie und den Intellekt eines jeden von uns. Mich interessiert es nicht, wie jemand heißt, woher er kommt, ob er Doktor ist … sondern ob er eine Vision für die Zukunft und Lösungen für die Probleme unserer Stadt aufzeigen kann. Anscheinend haben unsere Volksvertreter außer Banalitäten und sinnfreien Slogans jedoch nichts anzubieten. Genau gegen diese Volksverdummung wehre ich mich. Und das sollte jeder in dieser Stadt tun! SARANDA FROMMOLD, Berlin