LESERINNENBRIEFE :
Puh. Mir ist ganz feierlich
■ betr.: „Überall Hindernisse. George Double-you“, taz vom 29. 12. 14
merci für diese kleine glosse. wenn ich morgens (sogar montagmorgen nach weihnachten!) die zeitung aufschlage und als erstes (ich muss die zeitung einem unbesiegbaren zwang folgend von hinten beginnen) solche zeilen lesen darf (sorry, mir ist pathos auch peinlich!), ist nicht nur mein tag gerettet – montag nach weihnachten! –, sondern gefühlt mindestens eine ganze woche.
womöglich überstehe ich sogar den jahreswechsel, wenn ich oft genug an diesen kommentar denke. puh. mir ist ganz feierlich … grüße aus sachsen – jawohl, aus sachsen!
BORIS KRUMM, Hopfgarten
Mit dem Kopf begreifen
■ betr.: „Der Kampf gegen die Trägheit ist nie gewonnen“, taz vom 30. 12. 14
In seinem Interview behauptet der Berliner Philosoph Giullaume Paoli: „Auf Altgriechisch heißt es ‚theoria‘, als Theorie, das Gegenteil von Praxis.“
Wer diese Sprache in der Schule lernt, der liest bei dem Historiker Herodot, er habe seine Geschichten, griechisch istoríai, geschrieben, um dem Leser eine bessere Vorstellung zu vermitteln; wörtlich theorías heíneken, „um der Anschauung willen“. Theorie gehört zum Verb theoreín, welches zu übersetzen ist mit „sehen“. Darauf weist auch als zentraler Ort der Anschauung das „Theater“.
Theorie ist alles andere als Trägheit oder Müßiggang. Sie ist nicht das Gegenteil von Praxis, vielmehr deren Komplement. Sie ist die „Praxis“ des Kopfes, wenn er, ohne mit Händen anfassen zu müssen, etwas „begreifen“ möchte.
WOLFGANG VON WANGENHEIM, Berlin
Qualität hat ihren Preis
■ betr.: „Im Januar kommt der Mindestlohn: Ein echtes Fortschrittchen“, taz.de vom 28. 12. 14
Bei solchen Gesetzen kommt es darauf an, wie sie sich weiterentwickeln. Werden die Schlupflöcher gestopft oder werden sie jedem Betrieb zugänglich gemacht?
Die Kritik der Unternehmer ist ermutigend zurückhaltend. Kaum einer zahlt gerne freiwillig mehr. Doch viele profitieren, wenn die Dumpingkonkurrenz wegfällt. Qualität hat eben ihren Preis. mdarge, taz.de
Verkehrsplaner aufs Rad
■ betr.: „Radfahrer in Berlin: Bei allem, was rechts ist“, taz.de vom 26. 12. 14
Alexanderstraße Ecke Grunerstraße wurde ja bereits so eine wunderbare Radspur links neben der Autoabbiegespur realisiert.
Leider hat man zweierlei vergessen:
1. wie spannend es für Radfahrer wird, sich überhaupt im fließenden Verkehr zwischen den Autos links einzuordnen;
2. wie Radfahrer nach rechts in die Grunerstraße abbiegen können, denn für sie ist nur eine Geradeausspur vorgesehen.
Man hat nun die Wahl, sich auf der Geradeausspur einzuordnen und (um nicht zu sterben) bei Rot nach rechts auf die Grunerstraße zu wechseln. Oder vorher schon auf den Gehweg zu wechseln. In beiden Fällen zwingt die Verkehrsplanung zu illegalem Verhalten. Alle Verkehrsplaner sollten sich mal einen Tag die Woche aufs Fahrrad setzen. Nur so, wegen der Kompetenz.
Blaschke, taz.de
Vorausschauend fahren
■ betr.: „Radfahrer in Berlin: Bei allem, was rechts ist“, taz.de vom 26. 12. 14
Diese ewige Aggressivität zwischen „Auto“ und „Fahrrad“ geht mir auf die Nerven. Damit ist keinem geholfen.
Dass es auf beiden Seiten Verletzte oder gar Tote gibt, ist nicht zu bestreiten. Und dass die Schuld mal hier, mal da liegt, auch nicht. Letzten Endes gilt: Vorausschauend fahren! Egal wer. Fehler machen alle. Und manchmal liegen die Fehler auch am/im System. Und: Der/die Fahrradfahrende ist der/die schwächere VerkehrsteilnehmerIn. Mir als Fahrradfahrende und Autofahrende (und Fußgängerin, haha) hat diese Einstellung in 24 Jahren, unterwegs auf Berlins Straßen, zu lediglich einem Verkehrsunfall verholfen – und es war wie immer der Klassiker: Autotür auf ohne zu gucken – ich mit’m Rad drüber!
Verdammte Autofah… Cela, taz.de
Fahren Sie mal nach …
■ betr.: „Der Blick der Anderen: ‚Ich konnte das nicht glauben‘“, taz.de vom 30. 12. 14
„Niemand belästigt dich, weil du gerade dies oder das tust. Es interessiert einfach niemanden“, schreibt Herr Nagendram über Berlin.
Ich halte es für gewagt, von einigen Eindrucken, die Sie, Herr Nagendram, in Berlin gewonnen haben, auf die gesamte Bundesrepublik zu schließen. Fahren Sie mal nach Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz oder einfach in eine Kleinstadt. Ich nehme an, Sie werden aus dem Staunen nicht herauskommen, wie sich in Baden-Württemberg, Sachsen oder einfach in einer Kleinstadt im Land Brandenburg die Menschen untereinander beobachten und unter Kontrolle halten.
Krawatte, taz.de
Dorfbuschtrommel
■ betr.: „Der Blick der Anderen: ‚Ich konnte das nicht glauben‘“, taz.de vom 30. 12. 14
Mir reichen schon meine beiden Nachbarn, die mich ständig beobachten, sei es hinter den Gardinen oder an der Garagenecke, der eine ließ es sich nicht nehmen, als wir im Garten saßen, an den Zaun zu kommen und zu schauen, was wir grillten.
Ich bin immer erstaunt, dass mich wildfremde Menschen aus dem Dorf ansprechen über familiäre Dinge, die Dorfbuschtrommel funktioniert 100-prozentig. GEORG SCHMIDT, taz.de