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Archiv-Artikel

LESERINNENBRIEFE

Meistüberschätzter Autor

■ betr.: „Politisch und sexuell unkorrekt“, taz vom 7. 1. 15

Dieser Michel Houellebecq ist der meistüberschätzte Autor der französischen Gegenwartsliteratur. Der Mann kommt aus einer Hochkultur des geschriebenen Wortes und hat null Sprachgefühl. Mit seinem neuen Buch „Soumission“ über eine Islamisierung von La France bleibt er seiner ureigenen miesepetrigen Linie treu: provozieren und damit möglichst viel Geld verdienen. Schon den Hype um „Elementarteilchen konnte ich nicht nachvollziehen. Wie drückte sich Sigrid Löffler aus, „man spürt förmlich eine hämische Schadenfreude ob seiner platzierten Boshaftigkeiten zwischen den Zeilen hervorschimmern, dabei insgesamt schlampig geschrieben.“ Also wie bei Denis Scheck in der ARD-Sendung „druckfrisch“: ab in den Container! JÜRGEN SCHIERHOLZ, Bremen

I don’t want your „us or them“

■ betr.: „Je suis Charlie“, taz vom 8. 1. 15

Widerlich der Anschlag. Widerlich ebenso, wie rechte Gruppierungen unweigerlich unter „Haben wir doch gleich gesagt“-Geschwafel nun politisches Kapital aus dem Geschehen zu schlagen versuchen. Widerlich die dadurch entstehende kostenlose Publicity für das „Unterwerfung“-Buch von Michel Houellebecq. Widerlich, wie Fanatiker jeglicher Couleur im 21. Jahrhundert die Gedanken der Aufklärung mit Füßen treten. Widerlich das Gefühl lähmender Ratlosigkeit, welches sich breitmacht angesichts der zu erwartenden Folgen. Und dieses Gefühl ist kaum anders zu lindern als dadurch, zum Beispiel „The Cure“ aufzulegen und mit Robert Smith zu brüllen:

„I don’t want your ‚us or them‘, I don’t need your ‚us or them‘. As the only way this ever ends is ‚me‘.“ FRANK PÖRSCHKE, Hattingen

Kein Recht auf Karriere

■ betr.: „Toxischer Ballast“, taz vom 8. 1. 15

Im dem Artikel von Markus Völker wird der Frage nachgegangen, ob der wegen Vergewaltigung verurteilte Fußballspieler Ched Evans, der keinen Verein mehr findet, ein Recht auf Resozialisierung, Wiedereingliederung in die Gesellschaft, habe. Ich finde, hier geraten Begriffe durcheinander. Es scheint, als ob ein Recht auf Karriere gemeint ist. Bruchlos soll nach Fehlverhalten der Berufserfolg fortgesetzt werden. Darauf hat aber niemand Anspruch. LUCIA ALEKNA-HANSEN, Hamburg

Wer muss wen aufklären?

■ betr.: „Das müsst ihr unter euch regeln“, taz vom 3. 1. 15, „Immer die anderen halt“, Leserinnenbrief von Irene Weiß, 8. 1. 15

Frau Weiß, wenn ich Sie richtig verstanden habe, so vertreten Sie in ihrem Leserbrief die Auffassung, es sei die Aufgabe von Khalid El Kaoutit, der Bevölkerung zuwanderungsfreundliche Argumente einzupauken und weniger Ihre oder meine. Sind Sie auch der Meinung, dass es in erster Linie in der Verantwortung von Juden liegt, darüber aufzuklären, warum Antisemitismus schlecht für die Gesellschaft ist? Für mich klingt das so, als wenn ich einem sexistischen Mob, der mich gegen die Wand drückt, gute Argumente für das Recht auf sexuelle Selbstbestimmung vortragen soll. Die Männer interessieren sich ja eh nicht dafür, also wer soll’s machen?

Einen Unterschied gibt es aber doch. Ich könnte meine Meinung ändern und das Patriarchat lobpreisen. Das ist meine Entscheidung. Herr Kaoutit kann nicht entscheiden. Bestenfalls ist er ein gut integrierter Exot. Wo wir geboren werden, wie wir heißen und wie unser natürliches Aussehen ist, können wir uns nicht aussuchen. Trotzdem hängt so viel davon ab, oft mehr als von unserem Tun.

Herr Kaoutit könnte seinen Namen auf Wieners oder Weiß umändern lassen. Ob das funktioniert, hängt davon ab, wie exotisch er für uns aussieht.

Ich weiß leider genauso wenig wie er, wie man sich am besten mit Leuten auseinandersetzt, die nicht zuhören, und ich verstehe sehr gut, dass er dazu keine Lust hat. Anders als ich vertritt er bei einer Diskussion, bei der es um Rassismus geht, nicht nur seine Werte, er rechtfertigt dabei auch seine Existenz. Ich habe den Artikel von Herrn Kaoutit so verstanden, als wollte er erzählen wie es ihm und anderen direkt von Rassismus Betroffenen geht, mit Pegida, mit der CSU, die den Rechtspopulismus auch noch schürt und mit Leuten, die Bunt statt Braun rufen. Eine Handlungsanleitung lese ich darin nicht.

Natürlich sind auch der Herr Kaoutit und sein Würstchenverkäufer mit türkischen Ahnen dafür verantwortlich, wie es in der Gesellschaft aussieht. Aber warum werden sie dazu genötigt, sich mit Rassismus zu beschäftigen anstatt zum Beispiel mit Umweltschutz und der Lage des Planeten? Eine Gesellschaft besteht aus allen Menschen, die da sind, und nicht nur aus denen, auf die bestimmte Kriterien zutreffen. UTE WIENERS, Hannover

Satire darf alles!?

■ betr.: „Je suis Charlie“, taz vom 8. 1. 15

Satire darf alles!? Finde ich nicht. Es sei denn, ich heiße Robinson. Aber spätestens wenn Freitag mit ins Spiel kommt, definiert sich meine eigene Freiheit im Gewebe anderer. Satire darf beleidigen?! Kann ich machen, aber der Grad ist schmal, der Boden dünn und mir scheint, das Netz ist momentan an entscheidenden Stellen gerissen. Hut ab vor denen, die auf diesem Netz zu tanzen wagen! HILDEGARD MEIER, Köln