LESERINNENBRIEFE :
Lehre für die Zukunft
■ betr.: „Die Bilder wirken lassen“, taz vom 26. 1. 15
Solche Tragödien wie Auschwitz sind niemals „auserzählt“ und dürfen keinesfalls in Vergessenheit geraten. Es muss immer wieder intensiv über Rassismus und Antisemitismus berichtet werden, da diese Themen allgegenwärtige Probleme darstellen. Vergangenes ist nicht mehr zu ändern, aber es soll eine Lehre für die Zukunft sein.JULIA ENGELS, Elsdorf
Warnung und Lehre
■ betr.: „Deutsche wollen mit Holocaust abschließen“, taz vom 26. 1. 15
Der nachdrücklichen Bekundung von Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier kann ich mich ohne Wenn und Aber anschließen.
Der Holocaust ist ein schreckliches Beispiel dafür, dass das Undenkbare, das Unfassbare geschehen kann. Das Aufgeben von Erinnerung und Bewusstsein daran würde nochmals Entwürdigung und Anmaßung, nicht weniger als das Aufgeben von Menschlichkeit bedeuten. Darum muss die Shoah ohne Relativierung von Verbrechen, noch von Ort und Zeit, unbedingte Warnung und Lehre sein, für die Politik, die Religionen, die Medien, für die gesamte Gesellschaft. Dieses als Destination einer jeden kommenden Stunde menschlichen Daseins zu bewahren, das ist das, was wir tun sollten, wenn wir der Opfer und ihrer Angehörigen gedenken und von Verantwortung reden. Wir, damit gemeint sind die Menschen in Deutschland und überall auf der Welt. Überdies, was genau das „Hinter-sich-lassen“, der „Schlussstrich“ und die „gegenwärtige Probleme“ im Einzelnen bezeichnen und bedeuten mögen, das Verdrängen und Vergessen von Geschichte führt uns geradewegs zu Unwissen und Unverständnis in Gegenwart und Zukunft. MATTHIAS BARTSCH, Lichtenau-Herbram
Klug und nicht einseitig
■ betr.: „Terror verstehen“ von Michal Bodemann, taz vom 26. 1. 15
Das Spektrum der taz-Kommentatoren ist weit. Über nicht wenige kann man sich ärgern. Diesmal liegt die Redaktion aber erstaunlich richtig. Michal Bodemann zieht wichtige Vergleiche, wenn er implizite Typisierung und Herabsetzung des Islam mit der von Juden im Dritten Reich vergleicht, und unterscheidet zwischen Karikatur und gezielter Herabsetzung. Noch überzeugender allerdings finde ich seine Kritik an der unangemessenen Würdigung des verstorbenen Königs von Saudi-Arabien, dessen Regime des internen Terrors hier meist geflissentlich übersehen wird, jedenfalls die guten Beziehungen zu den westlichen Staaten nicht trübt. Auch als Jude darauf zu verweisen, wie der Staat Israel Tag für Tag die palästinensische Bevölkerung drangsaliert und durch Siedlungen enteignet, gehört dazu, wenn generelle Einschätzungen über Ursachen von Terror benannt werden. Klug und nicht einseitig! MARION MEYFAHRT, Kassel
Exzellente Analyse
■ betr.: „Terror verstehen“, taz vom 26. 1. 15
Die von Prof. Bodemann in seiner exzellenten Analyse aufgeworfene Frage, „ob nicht Auschwitz etwas mit dem Christentum zu tun hat“, kann angesichts der zu erwartenden Gläubigenproteste zumindest in einer Hinsicht mit Sicherheit bejaht werden: Die deutsche Wehrmacht assistierte der SS bei ihren Gräueltaten nachgewiesenermaßen und zwar unter der Losung „Gott mit uns“, die auf ihrem Koppelschloss eingeprägt war, außerdem durch den permanent erteilten kirchlichen Segen bei Einsätzen. Selbst der tausendjährige Führer beschwor bei allen möglichen Gelegenheiten die ihm zugute gekommene göttliche Vorrrsehung. Leider erscheint dieser Beitrag erst nach der zurückliegenden Talkshowflut. Er hätte vielleicht manchen IslamrepräsentantInnen die peinliche Aufforderung, den Zusammenhang zwischen Islam und Islamismus zu erklären, ersparen können. HANS REISSINGER, Dudenhofen
Wir halten es nicht aus
■ betr.: „Wahre Grenzen des Wachstums“, taz vom 21. 1. 15
Wer endloses Wachstum in einer endlichen Welt predige, sei entweder verrückt oder ein Ökonom, so zitiert Bernhard Pötter den US-Ökonomen Kenneth Boulding. Ich stimme zu: Wir sind im Nest des kollektiven Wahnsinns verfangen. Wahrer Wahnsinn aber, das gehört zu seiner Qualität, reflektiert sich selber nicht. Ich stelle fest: wir reden weiter über das Wetter, als wenn nichts wäre, wir shoppen weiter, fliegen weiter, und die taz stellt Artikel wie diesen in der Regel nicht etwa auf Seite 1, sondern auf Seite 9, ganz unten. Noch ein Zitat aus dem Artikel: „Es besteht die konkrete Gefahr, dass das System Erde in einen komplett anderen Zustand übergeht, als wir ihn aus der menschlichen Geschichte kennen.“ Nun ja, was ist da los bei der taz, wenn wir solche News gerade noch mal auf „Seite 9“ abspeichern?
Ich denke: Wir halten es nicht aus, es ist zu groß. Wir haben vielleicht schon resigniert vor der Größe dieser Bedrohung. Da stellen wir doch lieber Pegida, Charlie und Co. (ist ja auch wichtig) nach vorn, und zwar so groß, dass wir die größte Herausforderung unserer Zeit für einen Augenblick nicht merken müssen. Und unter dem Verdrängungswahn schwelt die kollektive Angst. Eine Zeit lang ging es mir besser: als wir hier im Dorf mit ein paar Leuten eine Energiewende-Aktion gestartet haben. Sie schlief ein: mangels Beteiligung. So habe ich mich erst mal wieder in die Reihen der wahnsinnig Unauffälligen eingegliedert. Unser Slogan: „Schönes Wetter heute!“ANDREAS RETZMANN, Kattendorf