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Archiv-Artikel

LESERINNENBRIEFE

In der Erwartungsfalle

■ betr.: „Wir müssen reden“, taz vom 30. 1. 15

In seinem insgesamt sehr klugen Meinungsartikel zu Pegida macht Daniel Bax nur einen, aber dafür grundsätzlichen Fehler. Er übernimmt einen Grundbegriff offenbar wirklichkeitsferner Soziologen, die Repräsentationslücke, als feststehende Tatsache. Dem möchte ich die „Erwartungsfalle“ gegenüberstellen, in die die Mitglieder dieser Bewegung gelaufen sind. Den Umfragen, dass „sehr viele eine grundsätzliche Sympathie mit Pegida fühlen“, stehen zum Glück nackte Tatsachen gegenüber, wenn man sieht, wie versprengte Häuflein von Rechtsradikalen durch deutsche Städte ziehen, deutlich behindert von ermutigend vielen Demokraten und Antifaschisten; zu sehen, dass lediglich in Dresden eindrucksvolle Demonstrationszüge zustande kamen, wie wenige Prozente offen ausländerfeindliche Parteien in Deutschland bei Wahlen einfahren, sind diese ja wohl deutlich überrepräsentiert in den Parlamenten, wird dort ihr Weltbild doch nicht nur durch NPD & AfD vertreten, sondern auch durch nicht wenige (un)christliche Demokraten und christlich-(a)soziale, ja bis weit in sozialdemokratische Kreise (Buschkowsky und Co) hinein. Aber noch viel stärker überrepräsentiert sind sie in den Medien. Nicht nur in der rechten Kampfpresse von Springer und Konsorten, auch in den anderen „bürgerlichen“ Blättern. Nicht zuletzt wird ihnen auch in den öffentlich-rechtlichen Medien Sendeplatz weit über ihre Bedeutung hinaus eingeräumt.

Fällt da nicht auf, dass sogar die rechte Kampfpresse zur „Lügenpresse“ gezählt wird? Für uns nichts Neues, aber aus diesem rechten Blickwinkel nur als logische Folge einer enttäuschten Liebe zu erklären: Bild und Co. haben mit jahrzehntelanger, mehr oder weniger offener Ausländerhetze eine Erwartungshaltung erzeugt, die zum Glück teilweise enttäuscht wurde. Wenn wir den hohen Verbreitungsgrad solcher rechter Medien berücksichtigen, dann haben sie in den Augen ihrer Leser und Zuschauer über eine Verfassungsänderung zur Verschärfung des Asylrechts (schlimm genug), über Frontex hinaus („sollen sie doch ersaufen“) verhältnismäßig wenige „Versprechungen“ erfüllt. Wer jahrzehntelang medial und persönlich in solchen Kreisen verkehrt, kann gar keine Zweifel an seinem Weltbild bekommen. Und ist dann wahnsinnig enttäuscht, wenn „immer mehr“ Flüchtlinge ins Land gelassen werden. Dazu gibt es nur eine Antwort: auf der Straße, im persönlichen Umfeld oder wo immer möglich dagegenhalten. Wir sind zwar nicht „das Volk“, aber ihr seid es auch nicht! Wir wollen es auch gar nicht sein! Refugees welcome! STEPHAN JUST, Thallichtenberg

Zerstörerische Kohleverstromung

■ betr.: „Kohle nur bei IG BCE populär“, taz vom 5. 2. 15

DGB und IG BCE fordern „bezahlbaren Strom und gute Arbeitsplätze“. Die jährlich zu Tausenden in den türkischen, kolumbianischen und chinesischen Kohleminen verschütteten Arbeiter sind damit sicher nicht gemeint. Staublunge, Pseudokrupp und Klimawandel auch nicht. Dass die Strompreise für Familien und Mittelstand schon jetzt deutlich günstiger wären, wenn Genosse Gabriel nicht beim EU-Wettbewerbskommissar durchgesetzt hätte, die Industrie auf den Schultern der Schwachen um rund 5 Milliarden Euro zu entlasten, ist öffentlich. Wenn DGB und IG BCE es tatsächlich erst meinen, wenn es also nicht darum geht, unter dem Deckmäntelchen des sozialen Engagements für sich selbst möglichst viel Profit aus der zerstörerischen Kohleverstromung zu ziehen, dann müssten sie Sturm laufen gegen die unfassbaren Subventionen, die die EU-Kommission für den Neubau von Atomkraftwerken bewilligt hat. Man darf gespannt sein, ob sich die GewerkschafterInnen jetzt der Beschwerde gegen die Atomsubventionen anschließen, welche die EWS Schönau mit Unterstützung vom Bund der Energieverbraucher, Robin Wood, ausgestrahlt und vielen mehr auf den Weg gebracht hat. EVA STEGEN, Freiburg