LESERINNENBRIEFE :
Meinungsmache
■ betr.: „Griechenland? Oberramsch!“, taz vom 9. 2. 15, „Zahl des Tages: Fehler sind keine ‚Meinungsfreiheit‘“, taz vom 5. 2. 15
Standard & Poor’s hat Griechenlands Kreditwürdigkeit gesenkt. Ein paar Tage vorher berichtete die taz, dass S&P 1,5 Milliarden Dollar Strafe zahlen muss, da sie Immobilienkredite vor der Krise als zu gut bewertet hatte. S&P begründete dies mit der Aussage „ihre Fehler seien vom Recht auf freie Meinungsäußerung gedeckt“ (taz-Zitat). Übersetzt heißt das doch nichts anderes, als dass die Aussagen von S&P – und auch aller anderen Ratingagenturen? – nach eigenem Selbstverständnis Meinungsäußerungen sind oder etwas klarer und deutlicher: Meinungsmache. Wozu wird solcher Schwindel gebraucht? JÜRGEN HARGENS, Meyn
Ein Weckruf für Europa
■ betr.: „Mich stört der Ton aus Athen“, Interview mit Peer Steinbrück, taz vom 3. 2. 15
An dem Ton aus Athen gibt es nichts auszusetzen. Die neue Regierung hat den Wählerauftrag dafür bekommen. Oder wie Tsipras es ausgedrückt hat: „Ich werde mal etwas Neues machen und die Wahlversprechen einhalten.“ Und dass die Griechen diesen Ton honorieren, zeigen die Solidaritätskundgebungen vor dem Parlament und in ganz Griechenland nach Draghis Drohungen. In Griechenland herrscht Aufbruchstimmung, und dieser Ton aus Athen sollte eigentlich ein Weckruf für das emanzipierte Europa sein.NIKOS THEODORAKOPOULOS, Hamburg
Im Alter was Neues
■ betr.: „Ein heißes Eisen“, taz vom 6. 2. 15
Richtig so, raus mit den Alten aus ihren Luxuswohnungen in bester Wohnlage, ihrer gewohnten Umgebung, ihren Erinnerungen, auch im Alter öfter mal was Neues! Sie könnten ja sonst auch auf dumme Gedanken kommen, ihre Wohnung teilen mit einem neuen Partner, jetzt, wo die Kinder weg sind und der Partner vielleicht verstorben, mit einem Studenten, der ein Zimmer sucht, gar eine Alten-Wohngemeinschaft gründen und zuletzt vielleicht sogar ihrer Pflegekraft einen Wohnraum abtreten, da sei Gott beziehungsweise der Wohnungsmarkt vor! Wie soll denn da jemals ein anständiger Mietpreis erzielt werden! Und darum geht es doch, oder etwa nicht? 5.000 Euro lässt man dafür doch locker springen. Und schön blöd, dass die Alten so alt werden, auch noch mit Anspruch auf Lebensqualität …KATRIN SWOBODA, Frankfurt am Main
Schule mit Uralt-Bart
■ betr.: „Der Briefwechsel“, taz vom 4. 2. 15
Das wichtige Thema Bildung wird leider in „Der Briefwechsel“ implizit als alternativlos verhandelt. Dringend nötig wäre das Gegenteil: eine Wertschätzung der vielen Menschen, die schon seit Jahren Schule verändern und eine Ermutigung an alle Familien, neue Wege auch zu gehen! Das Format „Briefwechsel“ ist immer wieder ärgerlich: Ein Abklatsch des quälenden Alltags normaler Schule. Mit Uralt-Bart.
Viel interessanter als ein Aufguss dieser hierarchischen Anordnung wäre ein Diskurs auf Augenhöhe, in der taz wie auch im Schulleben. Welche Erfahrungen haben also Kinder, Jugendliche und ihre Lehrkräfte, die nicht im 45-Minuten-Takt in Fächern lernen, sondern in Zeitblöcken, mit dem Recht, sich innerhalb dieser Zeit bewegen zu dürfen? Die in Themenzentrierung arbeiten, miteinander, Kunst, Geschichte, Ethik und Deutsch vernetzt erleben, so wie im wirklichen Leben auch. Mit Themen, die den Alltag berühren, vielleicht sogar helfen, ihn zu bewältigen. Ohne Zensurendruck. Könnte es sich dafür lohnen, pünktlich aus der Cafeteria zu gehen? Und wenn es Probleme gibt, weil Einzelne die Lerngruppen stören, so kann eine Klassengemeinschaft, die selbstverständlich ihre Probleme im Morgenkreis und im Klassenrat bespricht, einiges zur Lösung beitragen, jenseits der autoritären Maßnahmen, die Arne Ulbricht empfiehlt.
Eine Spontanumfrage an unserem Frühstückstisch, mit zwei Töchtern, die reformpädagogische Staatsschulen besuchen, ergab erfreuliche Ergebnisse: demokratisches Miteinander und veränderte Arten des Lernens sorgen dafür, dass viele Problemklassiker „alter Schule“, wie das Zuspätkommen, so nicht mehr zu besichtigen sind. Liebe taz, zeig uns das! ANDREA BURGSTALLER, Berlin
Zu Recht empört
■ betr.: „Der Briefwechsel“, taz vom 4. 2. 15
Die Antwort des Lehrers Arne Ulbricht, dass das Zuspätkommen eines Lehrers akzeptabel ist, wenn es daran lag, dass er von Eltern aufgehalten wurde, die „man nicht so einfach loswird“, ist unbefriedigend. Er sagt damit letztlich, dass es völlig in Ordnung ist, wenn 30 Kinder oder Jugendliche warten müssen, weil zwei bis drei Erwachsene sich über einen festen Termin (Beginn der Unterrichtsstunde) hinwegsetzen (dürfen). Es ist ein Armutszeugnis, wenn ein Lehrer ein Gespräch mit Eltern, in dem es um Noten geht, nicht mit dem Argument, er habe Unterricht, abbrechen kann. Dass er es auch nicht für zwingend hält, zeigt ein bedenkliches Verhältnis zu den Rechten der SchülerInnen im Vergleich zu denen von erwachsenen Eltern. Vielleicht ist das illustrativ, weil LehrerInnen heute so denken? Die LehrerInnen, die ich aus meiner Schulzeit in den 80ern schätze (und selbst die anderen), hätten niemals mit diesem Argument ihre SchülerInnen warten lassen. Marie Rouzoum hat völlig recht mit ihrer Empörung. SILKE KARCHER, Berlin