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Archiv-Artikel

LESERINNENBRIEFE

Enttäuschung und Unmut

■ betr.: „Gottes Teilchen und Higgs’ Beitrag“, „Die Teilchengötter“, taz vom 14. 12. 11

Bei den Artikeln von Ingo Arzt und Maria Rossbauer über die Forschungen zum Higgs-Boson machten sich bei mir Enttäuschung und Unmut breit: Ingo Arzts Artikel firmierte unter Forschung – und war ein säuerlicher Meinungsartikel von jemandem, der gut zu verbergen weiß, dass er sich eingehend mit den Fragen der Teilchenphysik beschäftigt hat. Zum Ausgleich wird das H-Boson vermännlicht, und seine Popularität stellt eine Gefahr dar. Maria Rosenbauers Artikel (Theorie) merkte man an, dass sie von den Superlativen, die mit dem Thema vor allem für Laien gern weitergegeben werden, selbst beeindruckt war. Ich hätte in einem Artikel zur Theorie eine Kommunikation über die Denkmodelle erwartet und nicht nur die Nennung derselben.

Es gibt LeserInnen, die von diesem Niveau enttäuscht sind. Ist doch auch eine Chance, aus konkretem Anlass die schwierige Materie überhaupt an die Leser weiterzugeben – und wenn man Wissenschaftsjournalismus machen will, sich da reinzuarbeiten.

KATHRIN CZERANNOWSKI, Würzburg

Wir werden sehen…

■ betr.: „Die Dinger, die die Welt erklären“, „Die Teilchengötter“, taz vom 14. 12. 11

Es gibt eine Teilchenphysik, ein Modell, das keine Higgs-Teilchen benötigt, bei dem die Gravitation ein Nebeneffekt der Teilchen-Eigenschaften ist. Wenn das Higgs-Teilchen nicht gefunden wird, muss die Physik nicht bei Aristoteles wieder anfangen, wie ein bekannter Physiker sagte, sondern nur kurz vor Einstein: Als „Relativity without Einstein“ und „The Origin of Gravity“ wird dieser Ansatz unter „ag-physics.org/gravity“ erklärt. Der Ansatz ist deutlich einfacher als Einsteins und erklärt sogar teilweise die „Dunkle Materie“. Wir werden sehen … WOLFRAM GIESE, Neu Wulmstorf

Man muss noch weiter forschen

■ betr.: „Gottes Teilchen fast entdeckt“, taz vom 14. 12. 11

Es ist ein bisschen unfair gegenüber den Teilchenphysikern von „Gottes Teilchen“ oder über eine Art von „Entdeckung“ des Higgs-Bosons zu sprechen. Das Higgs-Teilchen ist – wenn es tatsächlich gefunden werden sollte, was noch nicht feststeht – ein elementares Teilchen wie jedes andere. Man hat auf der Pressekonferenz gestern lediglich über den „Stand der Dinge“ berichtet und mehrfach darauf hingewiesen, dass eine experimentelle Bestätigung noch aussteht. Was man gesehen hat, sind „Unstimmigkeiten“, die darauf schließen lassen, dass man noch weiter forschen muss. Deshalb ist auch noch nichts in den einschlägigen Fachzeitschriften veröffentlicht! Man sollte also mit „ungelegten Eiern“ sehr vorsichtig „umgehen“! CHRISTIAN LUKNER, Bonn

Hype um Gottes Teilchen

■ betr.: „Die Teilchengötter“, taz vom 14. 12. 11

Im wissenschaftspopulistischen Hype um Gottes Teilchen (Seiten 1 und 3, 14. Dezember) ist der Beitrag von Ingo Arzt über „die Teilchengötter“ wohltuend und ein Stück Ehrenrettung für die taz. Schlimm wäre es, wenn dies unbedarft-beliebige, höchstens noch ökonomisch-interessengeleitete Infotainment in einem Qualitätsblatt unwidersprochen bliebe. Da wird einem auf der Titelseite erklärt, „warum wir alle eine Masse haben“! Masse!, selbst in der klassischen Physik noch eine „Sinneserfahrung“. Erklärt womit? Mit total esoterischer Mathematik oder, wie Karl Ballmer sich ausdrückte, „spätbürgerlicher Lyrik“. Die „Kathedrale der Physik“ besteht nicht erst im milliardenschweren Genfer Betonmonster, sie liegt im volksverdummenden Anspruch der Physik-Theisten, uns mit ihren „existierenden“ Teilchen „unseren“ Körper zu „erklären“.

Niemand Geringerer als Ernst Mach wollte dann doch nicht gänzlich auf die Sinneserfahrung verzichten, wenn Physik es mit „Körper“ zu tun hat. Dafür verzichtete er auf die Zugehörigkeit zur allein selig machenden Physik-Kirche: „Wenn der Glaube an die Realität der Atome für euch so wesentlich ist, so sage ich mich von der physikalischen Denkweise los, so will ich kein richtiger Physiker sein, so verzichte ich auf jede wissenschaftliche Wertschätzung, kurz, so danke ich schönstens für die Gemeinschaft der Gläubigen.“ Die Physik-Kirche ließ sich nicht beirren und arbeitete zum Wohle der Menschheit mit der „Realität der Atome“. Wenn demnächst das Higgs-Teilchen gefunden ist, nähern wir uns vielleicht dem von besagtem Ballmer vor Jahrzehnten prognostizierten Zeitpunkt: „Wenn der Fortschritt der ‚modernen‘ und modernsten Physik ausgerast haben wird, wird man – ernüchtert – auf zwei bisher unerledigt gebliebene Fragen stoßen können: Man wird erstens fragen: ‚Was ist eigentlich eine Sinneswahrnehmung?‘, und man wird zweitens fragen, was denn eigentlich das Objekt der Physik sei.“ MARTIN CUNO, Siegen

Dazwischen liegen Welten

■ betr.: „Vom Moment zum Monument“, taz vom 12. 12. 11

Zwischen dem WTC- und dem Holocaustmahnmal in Berlin liegen Welten: Das eine ist ein Mahnmal für die Verbrechen anderer, das zweite für eigene (deutsche) Verbrechen. Ein vergleichbares Mahnmal wäre eines für die schwarzen Sklaven, für die Indianer. Beides gibt es meiner Kenntnis nach nicht. Im Indiandermuseum in Washington ist davon auch kaum die Rede. EKKEHARD PICH, Stuttgart