LEHRSTELLENMISERE: JUGENDLICHE WERDEN WEITER ALLEIN GELASSEN : Feldversuch für neue Freiheit
Die Situation auf dem Ausbildungsmarkt könne ihr nicht egal sein, hat Angela Merkel gesagt – und damit die rund 144.000 Jugendlichen gemeint, die zu Beginn des neuen Ausbildungsjahres noch ohne Lehrstelle dastehen. Doch auch um ihrer selbst Willen kann der Kanzlerkandidatin der CDU das alljährliche Lehrstellen-Desaster nicht egal sein: Die Aufgabe, jeden Schulabgänger in Ausbildung zu bringen, wird der erste Praxistest der angekündigten „Alles wird besser“-Politik einer unionsgeführten Regierung.
Beim Thema Ausbildung kann die CDU im Falle eines Wahlsieges das im Kleinen vorexerzieren, was ihre Leitlinien in der Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik im Großen ausmacht: mehr Freiheit für die Unternehmen, weniger staatliche Interventionen. „Höhere Freiräume bei der Lehrlingsvergütung“ verspricht die Union in ihrem Wahlprogramm als Mittel gegen die Ausbildungsfaulheit vieler Betriebe. Was das im Klartext heißen könnte, hat DIHK-Chef Braun erst vor kurzem erklärt: Die Gehälter für Azubis müssen runter, von 270 Euro lässt es sich leben. Jugendliche Wählerstimmen gewinnt man so nicht. Aber bringt es wenigstens mehr Lehrstellen?
Wohl kaum. Denn abgesehen von den Einschnitten bei der Bezahlung ist das Konzept der Union dasselbe, mit dem Rot-Grün in den vergangenen Jahren gescheitert ist. Wie der jetzige Arbeitsminister Clement wird auch sein Nachfolger auf sommerliche Betteltouren gehen, um Lehrstellen einzuwerben. Wie Rot-Grün wird auch die Union den Unternehmen keine Vorgaben machen und bestenfalls Absichtserklärungen einfordern. Die aber bringen wenig, solange sie wie der bestehende Ausbildungspakt nur absolute Zahlen einfordern, die nichts mit der realen Bewerberzahl gemein haben. Von gesetzlich festgelegten Ausbildungsquoten, wie sie Rot-Grün im verschämt zurückgezogenen Gesetzesentwurf zur Ausbildungsplatzumlage vorgesehen hatte, spricht niemand mehr.
Wie die Wahl auch ausgeht: Die Jugendlichen werden mit ihrer Lehrstellenmisere auch künftig allein gelassen. KLAUS JANSEN