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Archiv-Artikel

LATEINAMERIKA: IMMER MEHR DIKTATUREN WERDEN AUFGEARBEITET Hinter der Folter stand Washington

Einen Tag nachdem in Argentinien die Amnestiegesetze für Verbrechen der Militärdiktatur für null und nichtig erklärt worden sind, hat das Oberste Gericht Mexikos entschieden, dass der ehemalige Präsident Luis Echeverría wegen der Ermordung hunderter linker Studenten durch paramilitärische Kräfte während seiner Amtszeit zwischen 1970 und 1976 belangt werden kann. In Chile laufen nunmehr seit Jahren Prozesse gegen den früheren Diktator Augusto Pinochet und etliche Offiziere, und der Gründer der berüchtigten Colonia Dignidad sitzt in Haft. Es scheint amtlich: Auch in Lateinamerika gehen die Siebzigerjahre zu Ende.

Die lateinamerikanischen Gesellschaften, insbesondere aber die politischen, ökonomischen Eliten und ihre militärischen Handlanger, haben sich dem Prozess der Aufarbeitung der Diktaturvergangenheit lange verweigert. Ohne die Hartnäckigkeit der Menschenrechts- und Opferorganisationen, die mit ihrer Forderung nach Gerechtigkeit einfach keine Ruhe gaben, wäre in den meisten Ländern, in denen die Justiz jetzt endlich ihrer Aufgabe nachgehen kann, jene Zeit einfach ad acta gelegt worden, und die Mörder und Folterer könnten weiter frei und ungeschoren herumlaufen.

In Südamerika sind heute etliche jener, die in den Siebzigern in den Gefängnissen und geheimen Folterlagern zu Opfern wurden, in die Regierungen gewählt worden – zuletzt in Uruguay. Ihre Wählerschaft ist nicht mehr die der Linken der 70er-Jahre – es sind diejenigen, die aufgrund desaströser Wirtschaften Auswege aus dem neoliberalen Dilemma suchen. Dennoch sind sie es, die zwischen Revanche und Versöhnung einen Umgang mit der Vergangenheit finden müssen, die auch ihre eigene ist. Und sie müssen sich mit den USA arrangieren, die damals die Militärdiktaturen unterstützten und die Folterer ausbildeten.

Keine US-Regierung hat es bis heute fertig gebracht, sich dafür zu entschuldigen. Stattdessen kamen manche der Verantwortlichen unter George W. Bush wieder in Positionen. Die Aufarbeitung der blutigen Zeit nun im Süden des Kontinents reicht nicht aus. BERND PICKERT