LANKWITZ, WIRKLICH : Alle kommt ihr vorbei
Im Roxy steht plötzlich ein Typ hinter mir, sagt nichts und schaut mir über die Schulter, wie ich auf dem Netbook schreibe. Dann unterbricht er, Entschuldigung, bitte. Schon okay, sage ich. Ich kenne dich, sagt er mit rasselnder Stimme. Der raucht Kette, denke ich sofort und sehe dann eine Zigarette in seiner Linken. Ich wohne hier, antworte ich. Du hast zwei Kinder, dein Sohn kann Fahrrad fahren, deine Tochter läuft jetzt, ihr wohnt da drüben, ich kenne dich schon sehr lange, seit 20 Jahren, sag ich mal, du bist früher so ein Ding gefahren, mit Rollen drunter, da steht man drauf und fährt, Halfpipe heißt das, glaube ich. Ja, sage ich, Skateboard. Genau, sagt er.
Kennen wir uns, frage ich unsicher. Ich lebe hier schon so lange, ich beobachte alle, das mache ich nicht absichtlich, ich sitze hier im Café, und dann kommt ihr hier alle vorbei, zu Edeka, in die Hasenheide. Ich sage, Sie irren sich, ich bin in Lankwitz aufgewachsen. Nein, sagt er, das kann nicht sein, ich kenne dich. Ich wohne erst seit sechs Jahren hier, beharre ich. Er stutzt. Ich sage, völlig bescheuert, dass ich das genau wisse. Er verneint vehement. Ich frage genervt, ob ich vielleicht so aussehen würde, als ob ich das nicht wüsste? Ob ich irgendeine Störung aufweisen würde?
Er tritt einen Schritt zurück, sieht mich eine Weile sehr ernst an und zieht an seiner Zigarette. Ich sage, Lankwitz, wirklich, glauben Sie mir.
Er nickt, eine Verwechslung, sagt er, und ich, dass ich das nett fände, ein Doppelgänger, der so aussah vor 20 Jahren wie ich vor 20 Jahren. Er streichelt mir die Schulter, ich wollte nicht unterbrechen, tut mir leid, mach weiter. Ich sage, ja, das ist mir hier schon mal gesagt worden. Ja, sagt er, ein guter Laden, hier muss man weitermachen, zündet mit seiner heruntergerauchten Zigarette eine neue an, schmunzelt und geht raus zu einem Tisch, an dem zwei Frauen sitzen.
BJÖRN KUHLIGK