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Archiv-Artikel

LANGSAM REICHT ES Fußball macht schlapp

ANDREAS BEHN

So allmählich setzt eine gewisse WM-Müdigkeit ein. Das Spektakel betrifft ja alle und alles in Brasilien, egal ob Fußballfan oder völlig uninteressiert am Ballsport und dem Drumherum. Der Lebensrhythmus kommt durcheinander, allein schon wegen der vielen Feiertage: entweder weil Brasilien spielt oder weil in der Nähe ein WM-Spiel stattfindet und ein Verkehrschaos verhindert werden soll.

Oder weil einer dieser Feiertage auf Donnerstag oder Dienstag fällt und deswegen aus guter Gewohnheit eine „Brücke“ geschlagen wird, damit sich das Wochenende richtig lohnt, sodass der Freitag oder Montag auch zum Feiertag erklärt wird. Ärgerlich nur, dass dies von Bundesstaat zu Bundesstaat anders gehandhabt wird und niemand genau weiß, ob die öffentlichen Angestellten arbeiten oder die Geschäfte aufhaben.

Feiertage an sich verursachen eigentlich keine Müdigkeit. Aber es ist ja WM, da muss mensch doch was unternehmen. Stress für diejenigen, die alle Spiele sehen wollen. Schlimmer noch, wenn dies gemeinsam passieren soll und die Verabredungen strategisch geplant werden müssen. Wer anderes vorschlägt, vielleicht eine Wanderung oder einen schlichten Strandausflug, wird schnell isoliert, denn irgendein wichtiges Spiel findet bestimmt am Nachmittag statt. Eine häufige Klage ist auch das ununterbrochene Trinken. Sei es die gemeinsame Spielnachbereitung oder der morgige Feiertag – die Gründe, abends länger auszugehen, sind zahlreich.

Beneidet werden die Fans aus anderen Ländern. Die sind ja nur wegen der WM hier, wegen der Spiele und dem Feiern, und müssen dies nicht mit einem Alltag unter einen Hut bringen. Viele Brasilianer haben dagegen vorgezogene Ferien, weil viele Schulen zur WM geschlossen wurden, aber nicht alle und nicht überall. Zum Verreisen ist die Zeit aber kaum geeignet, an den Urlaubsorten ist es voll mit Gringos und die ohnehin hohen Preise sind noch höher als sonst in den Ferien. Was also tun, wenn die unbeschäftigten Kids kein Fußball sehen wollen oder die Neymar-Anhimmler jetzt auch noch zu Spielzeiten vor der Glotze hängen?

Ein wichtiger Stressfaktor sind auch zu spannende Spiele oder Elfmeterschießen. Vor allem der brasilianischen Mannschaft! Überhaupt bereitet die Seleção von Beginn an eigentlich nur Sorgen. Sie spielen schlecht und jetzt sind sie auch noch psychisch belastet. Genauso wie die meisten Brasilianer, wenn sie sich ausmalen, Argentinien könnte im Maracanã den Titel gewinnen.

So langsam könnte das Ganze vorbeigehen, sagen viele. „Imagina na Copa – Stell dir vor, das würde zur WM passieren“ war in den Jahren davor der gängige Spruch, wenn irgendwas nicht klappte, der Verkehr zusammenbrach oder peinliche Pannen passierten.

Solche Vorfälle hielten sich bislang in Grenzen. Jetzt wird nur davon geträumt, wie es sein wird, wenn alles vorbei ist. Und einige Brasilianer freuen sich schon darauf, wenn endlich der Brasileirão, die erste Fußball-Liga, wieder läuft und sie ihrem Lieblingsverein zujubeln können – vielleicht sogar im Stadion.