■ Kutzmutz (PDS) verliert die Bürgermeisterwahl in Potsdam: Zum ersten, zweiten – und letzten
45 Prozent zum ersten – und zum zweiten. Mehr war nicht drin für die PDS und ihren gescheiterten Bürgermeisterkandidaten in Potsdam, Rolf Kutzmutz. Bei exakt gleicher Wahlbeteiligung wie im ersten Durchgang vor zwei Wochen zeigte sich am Sonntag, daß die PDS ihr Wählerpotential bereits ausgereizt hatte. Nicht zuletzt die Tatsache, daß der amtierende, jetzt bestätigte Bürgermeister Horst Gramlich eine überaus blasse Figur abgab, verhalf Kutzmutz zu seinem spektakulären Ergebnis. Zum Durchbruch hat es nicht gereicht. 55 Prozent der Wähler, die beim ersten Mal ihre Stimmen auf Gramlich und andere verteilten, fanden am Sonntag einen Minimalnenner: Auch vier Jahre nach dem Niedergang der DDR sind die demokratischen wie ökonomischen „Errungenschaften“ des alten Systems noch nicht soweit in Vergessenheit geraten, als daß ein Kandidat der SED-Nachfolgepartei mit der spezifischen Biographie des Rolf Kutzmutz für das exponierte Potsdamer Amt in Frage käme.
Beruhigend ist das nicht. Denn auch nach dem Scheitern der PDS-Kandidaten in den Großstädten lautet die Wählerbotschaft aus Brandenburg anti- westliche Politikverdrossenheit und aggressiv getönte DDR-Nostalgie. Kutzmutz hat beides auf den Punkt gebracht. Erstmals hat hier einer selbstbewußt und überraschend erfolgreich auf den „Trotzdem“-Effekt gesetzt und mit seiner offensiv gewendeten Stasi-Verstrickung um Wähler geworben. Er hätte gerne gewonnen, erklärte der Kandidat nach seiner Niederlage, um die Politiker in Bonn weiter zu ärgern. Auch ein politisches Konzept. Aber genau in diesem hohlköpfigen Untertanengehabe, das „die Oben“ als Erfüllungsgehilfen des materiellen Fortschritts betrachtet und – im Enttäuschungsfall – als Klagemauer, liegt ein gutes Stück der aktuellen Ost-Misere begründet. Daß die PDS den ökonomischen Wandel besser bewältigen, 150 Milliarden West-Ost-Transfer vertrauenswürdiger verwalten würde, glaubt von ihren Anhängern ernstlich wohl niemand. Selbst Lothar Bisky wäre soviel Verantwortung denn doch zuviel: So kann man bleiben, was man ist – Opposition.
Linke Massenbasis in Brandenburg? Da wird auch die Rest-Linke im alten Westen noch einmal hellhörig. Wie weit der Prozeß ihrer Desorientierung vorangeschritten ist, läßt sich erahnen, seitdem die deprimierende PDS-Melange aus „es war nicht alles schlecht“ und „es wird nicht besser“ ihr neuen Lebensmut einflößt. Das ist ein Feld für Gregor Gysi, auch wenn der Traumtänzer einer linken PDS- Brücke in den Westen in dieser Richtung eher negative Erfahrungen sammeln mußte. Die Frustrationen waren im übrigen beidseitig. Deshalb die Empfehlung an alle, die auch die allerletzte Chance nicht auslassen können: Eintreten! Kutzmutz, Bisky, Modrow und all die andern linken Vordenker warten auf Euch. Schneller und sicherer jedenfalls ist die Desillusionierung für Hartgläubige nicht zu haben. Matthias Geis
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen