Kurzkritik: Simple Minds im Pier 2 : Für die Fans aus alten Tagen
Die Lüftung des Pier 2 ist wirklich gut. Aber gegen die Pathos-Dinosaurier Simple Minds kommt sie nicht an. Kubikmeter für Kubikmeter kübeln die Schotten ihre schwebenden Klangmassen in die mit Fans rappelvoll gepackte Halle.
Obwohl die Bombast-Romantik der New Wave-Achtziger schon entschlackt wurde: schwülwarm zugewölkt werden die Ohren von den Soundmaschinen. Klangfett mittendurch wuchtet sich das Midtempo-Groove-Duo. Klangschön gestalten die angezerrten, mit Echo- und Hallgeräten aufgebauschten Rhythmusfiguren des Gitarristen malerische Riff-Horizonte.
Aus der Tiefe des pompös euphorischen, live erstklassig abgemischten Klangbildes taumelt im Schlender-Schlenker-Mikrophonschleuder-Stil der Emphase-Sänger Jim Kerr hervor – und macht noch mal den Jim Kerr.
Wirklich charismatisch, wie er die Dramatik zwischen Flüstern, Sprechgesang und plötzlichem Stimmausbruch inszeniert und mit segnend ausgestreckten Armen signalisiert: Ich erlöse euch – zu Tanz und Gesang.
Das Publikum – kaum einer unter 30 – lässt sich erlösen. Bleibt dabei immer eingekuschelt in wohltemperierten Poprock-Chic, duftig aufgefrischt durch zeitgemäße Elektronikeinflüsse, gebadet in unaufgeregter Rock-Wucht, abgeschmeckt mit politisch-korrekten Botschaften. Wellness-Rock vom Feinsten.
Jens Fischer