Kunstrundgang : Meike Jansen schaut sich in den Galerien von Berlin um
Während eine Kuratorin des Metropolitan Museum in einer Szene voller Begeisterung verbal das US-amerikanische Fähnchen schwingt und Berenice Abbott als nationale Heldin feiert, zeigt der Film „Berenice Abbott: A View of the 20th century“ in der Ausstellung im Ephraim-Palais insgesamt tatsächlich ein wesentlich differenzierteres Bild der Fotografin. Abbott, 1898 in Ohio geboren, beginnt 1917 ein Studium, um Journalistin zu werden. Für einige Jahre lebt sie in New York, wo sie allerdings nicht wirklich glücklich wird. So verlässt sie 1921 die Stadt, noch 6 Dollar in der Tasche, Richtung Frankreich. Was sie hier oder dort sucht, weiß sie nicht. In Paris nimmt sie eine Stelle als Laborantin in Man Rays Porträtstudio an. Sie lernt den Fotografen Eugene Atgets kennen und beginnt ihre erste eigene Fotoserie, in der sie KünstlerInnen und Intellektuelle aus dem Paris der Zwanzigerjahre porträtiert. Nach Atgets Tod verwaltet sie seinen Nachlass, organisiert Ausstellungen und arbeitet als Autorin. 1929 fährt sie nach New York, und was sie dort findet, verschlägt ihr den Atem. In ihrer Abwesenheit hat es in New York einen schier unglaublichen Bauboom gegeben. Abbott beginnt augenblicklich, die Stadt zu durchforsten und in Bildern festzuhalten. An eine Rückkehr nach Europa ist für sie nicht mehr zu denken. Doch was Abbott begeistert und was ihre Perspektive noch heute zu etwas Besonderem macht, ist ihr Interesse an dem Kontrast von Armut und Reichtum in Zeiten der großen Depression. Die machtvollen Gebäude sind in ihren Bildern bedrohliche Monumente, das Leben spielt sich nur zu deren Füßen ab. Nach „Changing New York“ widmete sich Abbott der Fotografie von wissenschaftlichen Experimenten. Auch auf diesem Gebiet gilt sie noch heute als eine der wichtigsten KünstlerInnen.