Kunstrundgang : Brigitte Werneburg schaut sich in den Galerien von Berlin um
Claudio Hils, 1962 in Mengen geboren, geht in seiner fotografischen Arbeit den weniger offensichtlichen Spuren durchaus kontroverser Themen nach. In „Red Land – Blue Land“ ist es etwa die surrealistische Szenerie eines Truppenübungsplatzes, die ohne weiteres verdeutlicht, worin die Grausamkeit und zwangsläufige Idiotie der aktuellen Kriegsplanung- und -führung besteht.
Ähnlich befasste sich Hils in seinem Belfast-Projekt nicht mit den weithin sichtbaren Spuren des Nordirlandkonflikts im Bild der Stadt. Claudio Hils ging in ihre Archive, wo der Kampf im Verborgenen geführt wird. Belfast hat sich im Nordirlandkonflikt über drei Jahrzehnte hinweg als eine Stadt definieren müssen, die sich ständig in ihre Vergangenheit wie ihre Zukunft verwandelte. Was zeigt sich davon in den Archiven und vor allem, wie zeigt es sich? Diese Fragestellung leitete Hills fotografische Recherche, die zu wundersamen, berührend schönen, aber auch verblüffend komischen Bildern führte – derzeit in der Galerie & Edition J.J. Heckenhauer ausgestellt. Die Folge der großformatigen Fotos stützt Hils These, mehr durch das System, in dem die Archive organisiert werden, als durch ihren Inhalt entstehe Geschichtsinterpretation.
Manchmal gibt es wirklich illuminierende Zusammentreffen von jederzeit einsichtigen Ordnungsregimen. Etwa bei der „Polizeiwache Musgrave Street“, wo sich das Gedenkbild für die Toten der Royal Ulster Constabulary in den Monitoren des städtischen Videoüberwachungssystems spiegelt. Dann wieder scheint fraglich, ob überhaupt ein Ordnungssystem existiert. Etwa im Depot der Royal Ulster Constabulary Historical Society. Aber das Foto des Gerümpels sagt vielleicht am meisten über die Wirrnis der Verhältnisse. Lohnend: der Katalog (Hatje Cantz Verlag, 35 €), der die Bilder um informative Aufsätze ergänzt.