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Archiv-Artikel

Kunstrundgang Brigitte Werneburg schaut sich in den Galerien von Berlin um

Bis 16. Mai, Do.–So. 14–20 Uhr. Bernhard Leitner, Tonkuppel, singuhr – hörgalerie in parochial, Klosterstraße 67

Wenn Wände sprechen könnten, geht eine Redewendung. Dass sie dann allerlei Geheimnisse preisgeben könnten, dem liegt offenbar die Gewissheit zugrunde, dass sie hören und verstehen können.

In der Parochialkirche können die Wände sprechen, wie jetzt jeder erfährt, der die hörgalerie singuhr besucht. Nicht nur die bemalten Wände des Kirchenvorraums, auch die Totenköpfe und Skelette, Zierrat im Stuck des Raums, wispern und flüstern vor sich hin. Selbstverständlich hat dieses Kunststück ein Künstler bewirkt. Allerdings traf der österreichische Klanginstallateur Bernhard Leitner einige Vorkehrungen, damit die Wände hören und verstehen und daher reden können. Mehrere Parabolschalen stehen im Raum, jede in ihrem Brennpunkt mit einem Piezo-Hochtöner versehen, der Klänge in die Schale abstrahlt. Ihre Krümmung projiziert die Töne wiederum als Klangstrahlen in den Raum, wo sie dort, wo sie auftreffen, hörbar werden. Gerade so, als ob die Wände sprächen.

Bernhard Leitner benutzt die Akustik, das Volumen und die Tonbewegung im Raum als skulpturales Material, als Baumaterial, um neue immaterielle Räume zu schaffen, die der Besucher freilich als sehr real erlebt. Wie etwa die Tonkuppel im Kirchenschiff, die ein riesiges Zylinderobjekt erzeugt, das als Resonanzkörper über einem Lautsprecher sitzt. Die Klänge einer Bassposaune steigen aus dem Resonanzkörper vertikal in die Höhe, immer lauter, in den offenen Dachstuhl, dem durch den Klang gewissermaßen eine Kuppel untergeschoben wird. Wenn die Bassposaune verhallt ist, scheint es, als tropfte eine Schwundstufe dieses Sounds aus der Kuppel wieder zu Boden. Ein wunderbares Spiel aus Wellen, Schwingungen, Spiegelungen, Bündelungen, Streuungen, aus Masse und Schwere von Klang und seiner Leichtigkeit.