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Kunst, Körper etc.Haie und kleine Fische

■ Rezession als Weg – die Kunst der Messe: „Art Cologne“ und „Unfair“

Auch die internationale Galerieszene hat trotz schwindender Bedeutung ihren Generationskonflikt. Ausgetragen wird er zur Zeit in Köln zwischen der renommierten „Art Cologne“ und der Gegenveranstaltung „Unfair“, die erst im vorigen Jahr von den Galeristen Tanja Grunert, Heike Kempken, Michael Janssen und Christian Nagel aus der Taufe gehoben wurde. Den 283 separaten Kojen in vier vollgepfropften Messehallen der offiziellen „Art“ stehen auf seiten der kleineren Schwester 42 labyrinthisch ineinander verschlungene Galerienischen gegenüber, die ihren Platz in der ehemaligen Zentrale der Kölner Stadtsparkasse gefunden haben. Passend zum Anlaß wurde gleich der darunterliegende Tresorraum als originelles Verkaufsschau-Ambiente mitgenutzt. Doch bei aller Freude um das zugkräftig ortsspezifisch gewählte Symbol – im letzten Jahr war es noch eine umgebaute factory irgendwo am Stadtring – finden sich mehr und mehr Gemeinsamkeiten zwischen dem Off- und dem Hauptszenario.

Nicht nur Objekte von Bruce Nauman, dem wilden Konzeptualisten und Körperkunst-Oldie mit allerhöchstem Marktwert, sondern auch die Werke weniger arrivierter Kollegen finden sich auf beiden Seiten des Rheins. So warten sowohl die Galerie „Gutharc“ aus Paris auf der Hauptmesse als auch die Züricher „Unfair“-Teilnehmer „Ars Futura“ mit wie aus einem Ei geformten Arbeiten von Stephen Hepworth auf, dessen zwölf Meter lange Ketten aus schwarzen und weißen Kugeln gemorste Shakespeare-Sonette repräsentieren. Das sich von einem Regalbrett aus über den Boden schlängelnde Band verspreche, so die Ausstellungsmacher, einen spirituellen Eintritt in die Literatur.

Weniger initiationsreich, dafür ebenso doppelnd wird die Serie „Brown's“ des 1959 geborenen Engländers Karl Wallinger von der Galerie „Reynolds“ auf der „Art“ und durch die „Newburg“- Galerie in der Schalterhalle feilgeboten. Hier sind es vier gesichtslose Jockey-Büsten, dort kann man vier originalgroße, unter „race, class, sex“ firmierende Pferdeportraits sehen. Es hätte aber auch andersherum kommen können. Die gesellschaftskritisch erfaßten Pferde sind Teil einer Sonderausstellung, mit der die ebenso finanzstarke wie umfangreiche Sammlung „Saatchi's“ in diesem Jahr bedacht wurde. Mit Hilfe ihrer Exponate zur jungen britischen Kunst gelang es den „Art“-Machern, der Werbetrommel im Vorfeld einige kräftige Schläge zu versetzen. Eine Strategie, die die Leihgeber noch souveräner beherrschen: Durch diverse An- und Verkäufe im Stile großangelegter Börsenspekulation haben sie binnen zweier Jahre aus der fast vergessen geglaubten angelsächsischen Postmoderne ein beschauliches Sortiment zorniger Jungmänner und -frauen ausgelesen. So fanden die britischen Maden, die einen verwesenden Kuhkopf von Damien Hirst bevölkern sollten, gar nicht erst ihren Weg durch den Zoll. Und für die eigenhändig abgezapften neun Liter Blut, mit denen der 29jährige Marc Quinn einen Dentalgips-Abguß seines Kopfes zur Messe abgefüllt hat, mußte der Selbstzweck-Spender eidesstattlich bezeugen, daß er keine Fremdblutkörper eingeführt habe. Schließlich entfachte die Installation eines ausgestopften Tigerhais, mit dem Hirst auf das Aussterben dieser Spezies hinweisen will, einen derartigen Rummel, als sei dem Kölner Dom ein dritter Turm hinzugebaut worden. Wäre das Tier nicht bereits tot, das Blitzlichtgewitter am Eröffnungstag hätte den Fisch endgültig abgeschossen.

Weniger spektakulär präsentieren sich einige kleinere Galerien auf der „Art“, die allerdings nur dem unermüdlichen Kojen- Wanderer und Kölsch-Verächter nicht verborgen bleiben (der Sponsor, die Gaffel-Brauerei, hatte immerhin einen Bierstand für jede Koje versprochen). So mag man denn in einem Winkel der Halle 5, Stand 31, auf die Amsterdamer Galerie „Torch“ stoßen, die mit Joe Gantz einen Künstler ausstellt, dessen Fotografien die Kitschkunst von ihrer kunsthandwerklichen Dämlichkeit befreien und zurück ins Zeitgeschehen treiben. Seine Fotocollage „Democratic Crucification“ etwa besteht aus einer Landschaft voller Kruzifixe, an denen vollständig bekleidete Menschen darben, während halbnackte Frauen mit Engelsflügeln sie umkreisen – im Vordergrund werden indes zwei Schwarze von Ordnungshütern zusammengeschlagen. Alles ergänzt einander wie im Schmelztiegel von L.A.

Inszenierungen einer Morphologie des Körpers, wie sie Thomas Florschuetz an gleich zwei „Art“- Ständen von den Galerien „Aschenbach“ und „Vier“ präsentieren läßt, finden sich auch auf der „Unfair“. Körnig vergrößerte Augenbrauenfotografien von Sam Samore bei „Marc Jancou“ aus Zürich und die seerosenartig auf weißem Hintergrund schwimmenden Brustwarzen von Daniälle Kwaaitaal („Bloom“/ Amsterdam): Sie alle fixieren ein Alphabet aus „Leibesinseln“, das die Galeristin der in Los Angeles ansässigen „Kim Light Gallery“ mit Bezug auf die Bilder von Keith Boadwee als „das Arschloch als Fingerabdruck“ charakterisiert. Der durch seine „Penis- Paintings“ bekanntgewordene Boadwee bemalt unter anderem weit aufgerissene Gesäße mit buntem Lack, der lediglich den rosa schimmernden Darmausgang verschont.

Entsprechend geht es sehr viel intimer auf der „Unfair“ zu als in den dieses Jahr sogar einmal etwas lockerer bepflanzten Deutzer Messehallen. Noch der aufwendig gestaltete Gegenkatalog zum adreßbuchartigen Messeschuber soll vermitteln, daß hier Freude an der Rezeption herrscht, wenn in der allgemeinen Rezession schon nichts oder nur wenig verkauft wird. Mögen die meisten Arbeiten auch als Lagerbestand enden, so sind sie zumindest im Katalog gut aufgehoben. Die Wege aus der Moderne führen ins Bücherregal, und nicht mehr ins Museum. Bernd Imgrund

„Art Cologne“ und „Unfair“ sind noch bis zum 17.11. geöffnet.

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