Kundus-Untersuchungsausschuss: Guttenberg hatte früh Infos

Im Kundus-Untersuchungsausschuss äußert Ex-Staatssekretär Unverständnis über zu Guttenbergs Bewertung des Luftschlags. Bundesanwaltschaft ermittelt gegen Oberst Klein.

Verteidigungsminister zu Guttenberg, daneben der Ex-Bundeswehr-Generalinspekteur Schneiderhan. Bild: ap

BERLIN taz/dpa/reuters | Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) steht nach der Aussage zweier von ihm entlassener Spitzenleute im Kundus-Untersuchungsausschuss unter Druck. Nach einer ausführlichen Befragung des früheren Bundeswehr-Generalinspekteurs Wolfgang Schneiderhan und von Ex-Staatssekretär Peter Wichert wertete die Opposition deren Aussagen als schwere Belastung für den Minister.

Der entlassene Staatssekretär im Verteidigungsministerium war gut vorbereitet. Ja, sagte Peter Wichert am Donnerstag-Abend im parlamentarischen Untersuchungsausschuss zum Luftangriff von Kundus: Er habe nach dem Bombardement mit bis zu 142 Toten eine Gruppe im Ministerium gegründet, die auf die Fragen der Nato zentral antworten sollte.

Damit bestätigte Wichert eine Spiegel-Online-Meldung, die passend zur ersten öffentlichen Sitzung des Ausschusses erneut für zusätzliche Aufregung sorgte. Mitnichten aber sei dies ein geheimes Vertuschungskartell gewesen, erklärte Wichert. Erstens sei sogar in der regulären Regierungs-Pressekonferenz darauf hingewiesen worden, dass es eine Arbeitsgruppe im Ministeruium gebe. Einfluss auf den Untersuchungsbericht der Nato habe er zweitens "nur dergestalt" nehmen wollen, "dass bitte auch entlastende Momente aufgeführt werden sollten".

In der Tat war es also das Ziel, den Oberst Georg Klein, der den fatalen Luftangriff auf zwei Tanklaster befohlen hatte, und die Bundeswehr insgesamt zu schützen. Dies aber sei nur natürlich gewesen, meinte Wichert: "Jede Nation hätte so gehandelt." Das Verhalten des US-Oberbefehlshabers Stanley McChrystal, der unmittelbar nach dem Luftschlag am 4. September 2009 nach Kundus anreiste, harsche Kritik äußerte und einen Reporter der Washington Post in die erste Unterrredung mit Klein mitnahm, habe sein "Misstrauen" erweckt. "Es sollte keine einseitige Untersuchung in die Welt gesetzt werden".

Doch konnte Wichert den Vertuschungsvorwurf nicht ganz abschütteln. Dass dieser via Spiegel-Online passgenau zu seinem Auftritt im Ausschuss lanciert wurde, war bezeichnend dafür, wie seit dem 4. September die Aufklärung der Umstände des Angriffs mit vermutlich Dutzenden zivilen Toten funktioniert.

Vor allem aus dem Verteidigungsministerium scheinen die Informationen meist an Spiegel, manchmal auch an BILD oder andere durchgesteckt zu werden. Belastet werden unterschiedliche Akteure - gestern eindeutig Wichert, der als Gegenspieler des Verteidigungsministers Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) gesehen werden darf. Guttenberg hatte Wichert und den Generalinspekteur Wolfgang Schneiderhan am 25. November unter Umständen gefeuert, die am Donnerstag im Ausschuss zum Gegenstand wurden. Im Ergebnis wurde der Minister stark belastet. Die vom Ministerium verbreitete Version der Ereignisse - dass Schneiderhan und Wichert entscheidende Dokumente von Guttenberg ferngehalten hätten - wird sich von diesem kaum noch aufrecht erhalten lassen. Guttenberg soll sich am 22. April vorm Ausschuss äußern.

Wichert und Schneiderhan hatten ihre Aussagen vom Donnerstag sichtlich abgestimmt und sagten in manchen Passagen fast wortgleich Dasselbe. Doch konnten sie plausibel machen, dass Guttenberg früh über alle notwendigen Informationen zum Luftangriff verfügte.

Die Abgeordneten im Ausschuss durften daraus folgern, dass die beiden als Sündenböcke für Guttenberg dienen mussten. Er entließ sie, weil ihm aufgefallen war, dass seine Einschätzung des Luftangriffs vom 6. November als militärisch angemessen und sogar unvermeidlich falsch und überzogen war. Er suchte einen Vorwand für eine Revision und behauptete, dass er schlecht beraten worden sei und ihm Dokumente gefehlt hätten. Im Bundestag sagte Guttenberg am 3. Dezember schließlich, der Luftangriff sei "militärisch nicht angemessen" gewesen.

Wichert erklärte am Donnerstagabend, es sei ihm unverständlich, wie Guttenberg zu der Behauptung kam, der Luftangriff sei unvermeidlich gewesen. Das "militärisch angemessen" hatte der Minister von Schneiderhan übernommen. Doch wieso Guttenberg meinte, es "hätte zum Luftschlag kommen müssen", sei rätselhaft: "Ich weiß nicht, wie diese Bewertung zustandekam", sagte Wichert. Er habe den Planungsstab im Ministerium gefragt - "Fehlanzeige".

Indirekt bestätigte Wichert so ein Bild, das sich schon seit längerem in den Augen der interessierten Öffentlichkeit vom Verteidigungsminister aufbaut: Möglicherweise hat Guttenberg sich ausschließlich mit seinen Presseleuten abgesprochen und nur darauf abgezielt, bei den Soldaten einen optimalen Eindruck zu erwecken. Die sachlich-fachliche Beratung seiner eigenen Spitzenleute im Minsterium scheint er nicht gesucht zu haben.

"Wenn Guttenberg gelogen hat, muss er zurücktreten"

Der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Fraktion, Thomas Oppermann, sagte der Berliner Zeitung: "Wenn Guttenberg im Zusammenhang mit einer zentralen Führungsentscheidung gelogen haben sollte, ist er als Verteidigungsminister nicht mehr tragbar." Der Parlamentarische Geschäftsführer der CSU-Landesgruppe im Bundestag, Stefan Müller entgegnete postwendend, Oppermann habe sich "wiederholt im Ton vergriffen". Die Vernehmungen im Ausschuss hätten gezeigt, dass Guttenberg vor seiner ersten Bewertung des Luftschlags "unzureichend" und "einseitig" informiert worden sei, sagte Müller.

Dagegen sieht es der SPD-Politiker Arnold als erwiesen an, dass die Kehrtwende Guttenbergs in der Einschätzung des Bombardements nicht auf neuen Informationen gründete. Die angeblich vorenthaltenen Unterlagen enthielten nicht wirklich etwas Neues, sagte er am Freitag. "Minister zu Guttenberg hat bisher in keiner Weise erklärt, warum er zu seiner Fehlbewertung gekommen ist und auf welcher Grundlage er sie korrigiert hat", sagte er. "Aber der Eindruck hat sich deutlich verdichtet, dass er Sündenböcke sucht, auf die er seine eigene Verantwortung abschieben kann."

Der Grünen-Verteidigungsexperte Omid Nouripour sagte im ARD-Morgenmagazin, einiges an den früheren Aussagen Guttenbergs sei ungereimt. Guttenberg müsse zurücktreten, wenn er der Lüge überführt würde. "Ich sehe das noch nicht."

Der Linken-Politiker Jan van Aken hatte Guttenberg am Donnerstag dagegen schon vorgeworfen, gelogen zu haben. Dieser habe behauptet, ihm seien Informationen vorenthalten worden, obwohl ihm auf Verlangen alle Berichte zur Verfügung gestellt worden seien.

Bundesanwaltschaft ermittelt gegen Oberst Klein

Unterdessen bestätigte die Bundesanwaltschaft einen Bericht der Stuttgarter Zeitung, wonach sie gegen Oberst Klein und seinen Flugleitoffizier wegen des Verdachts des Verstoßes gegen das Völkerstrafgesetzbuch ermittelt.

Ermittelt wird gegen die beiden Soldaten wegen des Verdachts des Verstoßes gegen das Völkerstrafgesetzbuch. Laut Paragraf 11 begeht ein "Kriegsverbrechen des Einsatzes verbotener Methoden der Kriegsführung", wer "mit militärischen Mitteln einen Angriff durchführt und dabei als sicher erwartet, dass der Angriff die Tötung oder Verletzung von Zivilpersonen oder die Beschädigung ziviler Objekte in einem Ausmaß verursachen wird, das außer Verhältnis zu dem insgesamt erwarteten konkreten und unmittelbaren militärischen Vorteil steht".

Die Hürde für eine Strafbarkeit liegt damit relativ hoch. Die Stuttgarter Zeitung berichtete unter Berufung auf Regierungskreise, der Verdacht gegen die beiden liege auf "niedriger Stufe". In Koalitionskreisen werde erwartet, dass das Verfahren am Ende eingestellt und keine Anklage erhoben werde.

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