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Archiv-Artikel

Kuckense mal: auf Bremens Leinwänden Auch optisch vielstimmig: „Dvorak… who?“ von Jan Harlan

Es ist eine der berühmtesten Filmmusiken! Ja nicht weniger als der Soundtrack zum Beginn der Menschheit! Als der erste Primat lernte, einen Knochen als Werkzeug zu benutzen, erklang dazu „Also sprach Zarathustra“ von Richard Strauss! Das weiß jeder, der auch nur diesen Ausschnitt aus „2001“ von Stanley Kubrick gesehen hat. Aber von wem kam diese begnadete Idee wirklich? Ganz nebenbei erwähnt Jan Harlan, wenn man ihn nach Geschichten über seine Zusammenarbeit mit Kubrick löchert, dass er diesem damals die Musik vorschlug: „Aber das war doch gar nichts Besonderes!“ Harlan war der Schwager von Kubrick und arbeitete von 1970 bis zu dessen Tod an all seinen Projekten mit, offiziell meist als Executive Producer, aber wohl viel bedeutender als Musikberater. Denn kein Filmemacher, auch nicht Scorsese, Leone oder Tarantino, konnte so genial Bild und Klang montieren.

Kein Wunder also, wenn Harlan jetzt einen Musikfilm gemacht hat. Seinen ersten eigenen Film machte er mit der aufwendigen Dokumentation „Stanley Kubrick – a life in pictures“ eher als Nachlassverwalter denn als Regisseur. Aber als er bei der Diskussion nach einer Aufführung des Films in Zürich bekannte, dass er gerne Dokumentarfilme über Musiker machen wolle, sprach ihn der Schweizer Andreas Mildner an, der sowohl künstlerischer Leiter wie auch Dirigent der „Jungen Philharmonie Elbe Weser“ ist.

Eine Besonderheit diese Orchesters ist, dass junge Musiker aus ganz Europa eingeladen werden, darin zu spielen. Die Proben sind für alle ganz neue und existentielle Erfahrungen, und solch eine Situation bietet sich förmlich für eine Dokumentation an. So erklärt sich, dass der ganz ähnlich angelegte Film „Rhythm is it“ schon viele Wochen mit großem Erfolg in den Kinos läuft. Der mit Digitalkameras gedrehte „Dvorak… who?“ kommt im Vergleich dazu viel bescheidener daher. Harlan hatte keinen Ehrgeiz, hier große Filmkunst zu machen, und er würde sich auch nie als Regisseur an einen Spielfilm heranwagen: „Dafür ist der Level für mich viel zu hoch angelegt!“

Diese Demut merkt man dem Film an: Er ist auf eine sympathische Art kunstlos und spielt sich selber weder der Musik noch den jungen MusikerInnen gegenüber in den Vordergrund. So wird Dvoraks Cellokonzert in der zweiten Hälfte des Films komplett durchgespielt – das sind über 40 Minuten klassische Musik in einem Stück! Harlan nimmt hier eine radikale Gegenposition zum Häppchenprinzip ein, nach dem klassische Musik nicht nur im Film, sondern auch immer mehr im Radio angeboten wird. „Musik sichtbar machen“ ist sein Anspruch und dies gelang ihm, weil er in der ersten Hälfte des Films mit seiner Kamera ganz auf die jungen MusikerInnen konzentriert herankam.

Mit den Probenden lernt man, dass der Dirigent Andreas Mildner der strenge Papa des Orchesters sein kann, während der Solocellist Alexander Baillie wie eine gütige Mama für alle Verständnis hat und immer eine schöne Musikeranekdote zu erzählen weiß. Beim Konzert trifft man sie dann alle wieder und hofft gemeinsam mit ihnen auf gutes Gelingen. Darum werden die 40 Minuten des Konzertes nie langweilig. Harlan filmte hier mit vier Kameras, sodass er auch optisch vielstimmig arbeiten konnte. Es gelingt ihm, in diesem kleinen, sympathischen Film die Freude zu vermitteln, die jeder im Orchester an der Musik hat.

Wilfried Hippen

„Dvorak… who“ läuft täglich im Atlantis um 19.00 Uhr.