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Archiv-Artikel

Kucken sie mal: auf bremens freiluft-leinwänden Von eingefleischten Cineasten unvergessen: „Deep End“ von Jerzy Skolimowski

Bei der Auswahl der Filme, die in den nächsten Wochen jeweils freitags ab 22.15 Uhr umsonst im großen Biergarten des „Haus am Walde“ gezeigt werden, sind die Organisatoren vom Kino 46 auf Nummer sicher gegangen, indem sie mit „Die Fetten Jahre sind vorbei“, „Wir können auch anders“ und der Motorrad-Oper „Easy Rider“ bewährte Erfolgsstreifen wiederaufführen. Mit einer Ausnahme, denn Freitagabend zeigen sie mit „Deep End“ einen obskuren Film aus den frühen 70ern.

Ein wirklicher Geheimtipp, ein Kultfilm erster Güte, der in Danny Pearys Standardwerk „Cult Movies“ in eine Reihe mit „Casablanca“, Werner Herzogs „Aguirre“ und David Lynchs „Eraserhead“ gestellt wird. Der Pole Jerzy Skolimowski hatte ihn 1970 als deutsch-amerikanische Koproduktion in London und München gedreht, aber als die Paramount-Studios ihr Interesse an dem Film verloren, war damit sein kommerzielles Todesurteil gesprochen. Die Produzenten hatten sich offensichtlich solch einen coolen, sexy Film über das „swinging London“ versprochen, wie ihn vorher Antonioni mit „Blow Up“ und Polanski mit „Ekel“ geliefert hatten. Wenn dieser die noch sehr junge Catherine Deneuve hatte, gab man Skolimowski die Ex-Freundin von Paul McCartney Jane Asher als Hauptattraktion, die zwar kaum Erfahrungen als Schauspielerin hatte, dafür aber der Deneuve verblüffend ähnlich sah.

Doch Skolimowski hatte keinerlei Interesse am modischen London der späten 60er und drehte seinen Film weder am Piccadilly Circus noch in den hippen Clubs, sondern in einer heruntergekommenen Badeanstalt und den dreckigen Bordellgassen von Soho. Und er inszenierte sehr eigensinnig, ohne dabei so originell und radikal zu sein wie etwa seine Freunde Andrezej Wajda und Roman Polanski, an deren frühen Filmen er als Drehbuchautor mitgearbeitet hatte, deren internationalen Erfolg er nach seinem Weggang in den Westen aber nie erreichte. In den frühen 80er Jahren hatte er mit „Moonlighting“, in dem er von illegal in London arbeitenden Polen erzählte, seinen größten Erfolg. 1985 adaptierte er in Hollywood den Roman „Das Feuerschiff“ von Siegfried Lenz, doch unvergessen bleibt er wegen „Deep End“ – wenn auch nur bei einigen eingefleischten Cineasten.

In das „Deep End“, die Schwimmersektion des Beckens, wird der 15jährige Mike gestoßen, nachdem er sich bei seiner Arbeit als Wärter in einem schäbigen Hallenbad in seine 22jährige Kollegin Susan verliebt, die kokett mit ihm herumspielt, ohne dabei zu merken, wie tief der Junge durch sie in seine Pubertätskrise stürzt. Die Kamera bleibt immer nah dran an diesem Protagonisten, der den Zuschauer zunehmend irritiert. Zuerst ist es ja noch ganz amüsant, wenn etwa Diane Dor, ein britisches Sexsymbol der fünfziger Jahre, den Jungen nackt in ihre Kabine zieht und sich dort vor ihm lautstark selbst befriedigt, wobei sie den Namen des Fußballstars George Best stöhnt. Aber nachdem Susan seine Eifersucht geweckt hat, indem sie mit einem Schwimmtrainer flirtet, wird sein Verhalten schnell extrem. Die Situationen des Films sind peinlich, komisch, rührend, abstoßend, melodramatisch, oft wechselt die Stimmung innerhalb einer Sequenz von einer Sekunde auf die nächste. Skolimowski entpuppt sich hier eher als poetischer denn als dramatischer Filmemacher, wenn er etwa zum Finale alles in rote Farbe taucht, oder seine Protagonisten einen Brillanten in einem Schneehaufen suchen lässt.

Mit seiner betont kunstlosen Kameraführung und dem scheinbar ziellosen Flanieren des Films wirkt er heute wie der Vorläufer eines Dogmafilms. Der Soundtrack der Kölner Gruppe „Can“ schließlich ist schönste Popmusik der frühen 70er, auch wenn sie noch nicht so ins Ohr geht wie später ihr „The Spoon“ beim Durbridge-Krimi „Das Messer“. Wilfried Hippen

„Deep End“ läuft am Freitag ab 22.15 Uhr umsonst und draußen im Haus am Walde (Am Kuhgrabenweg 2)