Krisenfonds ESM: Ständiger Rettungsschirm beschlossen
Es soll der nächste Schritt aus der Schuldenkrise sein: Die Euroländer einigen sich auf den Krisenfonds ESM. 500 Milliarden Euro sind verfügbar, um klammen Ländern zu helfen – vorerst.
BRÜSSEL dpa/dapd | Die Eurostaaten stellen zum 1. Juli einen neuen Krisenfonds für klamme Mitglieder auf die Beine. Die Finanzminister des Eurogebiets verständigten sich am Montagabend in Brüssel auf den Vertrag für den ständigen Rettungsschirm ESM. Der Hilfsfonds startet ein Jahr früher als ursprünglich geplant und hat einen Umfang von 500 Milliarden Euro. Das gab Eurogruppenchef Jean-Claude Juncker am frühen Dienstagmorgen in Brüssel bekannt. Der ESM soll im Juli den befristeten Rettungsfonds EFSF ablösen.
Im März wollen die EU-Staats- und Regierungschefs prüfen, ob die ESM-Obergrenze reicht. Dieser Kontrolltermin war schon im vergangenen Jahr beschlossen worden.
Deutschland schultert mit 27,15 Prozent den größten Anteil: knapp 22 Milliarden Euro Barkapital und 168 Milliarden Euro an abrufbarem Kapital. In Anspruch nehmen können den Fonds nur Länder, die zuvor den neuen Fiskalvertrag ratifiziert haben, mit dem strikte Schuldenbremsen eingeführt werden. Dazu sei eine "klare Verknüpfung" beschlossen worden, sagte EU-Währungskommissar Olli Rehn.
Italiens Regierungschef Mario Monti und die Chefin des Internationalen Währungsfonds (IWF), Christine Lagarde, fordern eine deutliche Ausweitung des ESM. "Wir brauchen eine größere Brandmauer", sagte Lagarde in Berlin. Monti regte eine Aufstockung auf 1 Billion Euro an. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) lehnt eine Ausweitung aber ab.
Der Vertrag für den ESM soll nun auf dem nächsten Treffen der EU-Finanzminister im Februar unterzeichnet werden. Damit könne die Ratifizierung bis zum Sommer gelingen, sagte Rehn.
Entscheidungen mit 85 Prozent Mehrheit
Als wichtige Neuerung wird er über ein Barkapital von 80 Milliarden Euro verfügen und damit unabhängiger von Bewertungen der Ratingagenturen werden. Eine Aufstockung würde Deutschland und die anderen Eurostaaten noch mehr belasten. Anders als beim befristeten Rettungsfonds EFSF sollen kleine Länder wie die Slowakei künftige Entscheidungen beim ESM nicht länger gefährden können. Denn diese sollen nicht mehr einstimmig, sondern mit einer Mehrheit von 85 Prozent gefällt werden können. Der ESM werde "der Grundpfeiler in der Brandmauer gegen die Schuldenkrise", sagte Rehn.
Unterdessen erhöhen die Eurostaaten den Druck auf das pleitebedrohte Griechenland. Mehrere Finanzminister, vor allem aus nördlichen Mitgliedstaaten, forderten ihren Athener Amtskollegen Evangelos Venizelos auf, Versprechen für Reformen nun einzulösen.
In Griechenland ist die Lage besonders dramatisch, da die Verhandlungen über einen teilweise Schuldenerlass immer noch nicht beendet sind. Am Rande der Sitzung wurde aber deutlich, dass viele Ressortchefs mit einer baldigen Einigung im Athener Bankenpoker rechnen.
EU-Währungskommissar Olli Rehn machte deutlich, dass es für Griechenland nicht mehr Geld geben werde als bisher geplant. "Wir haben sehr solide Beschlüsse vom Oktober (2011)", sagte der Finne.
Damals hatten die Eurostaaten bei einem Gipfel ein neues Hilfspaket von 100 Milliarden Euro für Athen beschlossen. Dazu kommen noch zusätzliche öffentliche Garantien von 30 Milliarden Euro für den Schuldenschnitt. In trockenen Tüchern ist das Paket allerdings immer noch nicht.
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