piwik no script img

Kriminalität im Libanon"Partei Gottes" braucht irdische Hilfe

Das Bild der Hisbollah als unbestechliche Ordnungshüter bekommt Risse. Nicht wegen innenpolitischer Gegner oder den Israelis, sondern wegen Problemen mit der eigenen Klientel.

Hisbollah-Chef Nasrallah spricht zu Anhängern per Video-Konferenz. Zum ersten Mal sieht sich die "Partei Gottes" nun mit dem Vorwurf der Korruption konfrontiert. Bild: dpa

Die südlichen Vororte Beiruts bieten seit einiger Zeit ein ungewöhnliches Bild: An den großen Straßenkreuzungen, wo bislang Ordnungskräfte der Schiitenorganisation Hisbollah den Verkehr regelten, stehen jetzt Verkehrspolizisten, die dem libanesischen Innenministerium unterstehen. Auf riesigen Plakaten prangt das Motto "Ordnung gehört zum Glauben".

Die Plakate sind Teil einer Kampagne, die die Hisbollah zusammen mit den Kommunen und dem Innenministerium gestartet hat. In Anlehnung an den Spruch des Propheten Mohammed "Sauberkeit gehört zum Glauben" sollen die Anwohner in den von der Hisbollah kontrollierten südlichen Stadtvierteln Beiruts dazu bewegt werden, sich an die Verkehrsregeln zu halten und auch die Bürgersteige nicht weiter als Werkstätten oder als erweiterten Verkaufsraum von Läden zu nutzen. Außerdem ist eine enge Kooperation bei der Eindämmung des Drogenkonsums und der Bekämpfung der Kriminalität vereinbart. Gleichzeitig mit dem Beginn dieser Aktion hielt der Generalsekretär der "Partei Gottes", Hassan Nasrallah, eine Rede, in der es ausnahmsweise nicht primär um den Kampf gegen Israel ging, sondern um die Drogenprobleme im Hisbollah-Viertel Dahija.

Im Sommer 2006, nach dem Krieg zwischen der Hisbollah und Israel, schwamm die Partei noch auf einer Welle der Popularität. Sie verzeichnete Tausende Neumitglieder, denn sie hatte es verstanden, den Krieg in einen innenpolitischen Sieg zu verwandeln. Ohne die Sperrminorität der Hisbollah kommt inzwischen keine libanesische Regierung mehr zustande. Doch die Vormachtstellung der "Partei Gottes" ist in Gefahr. Nicht wegen der innenpolitischen Gegner oder wegen eines drohenden neuen Waffengangs der Israelis, sondern wegen Problemen mit der eigenen Klientel. Ein Beispiel dafür ist die Affäre um den Geschäftsmann Salah Ezzedine.

Der 47-Jährige ist wegen betrügerischen Konkurses und der Ausstellung von ungedeckten Schecks angeklagt; seit Anfang September sitzt er in Haft. Der ehemalige Millionär ist zwar kein Mitglied der Partei, aber er unterhält seit vielen Jahren enge Beziehungen zu der Parteispitze. Zu den Geschädigten gehören deshalb auch einflussreiche Parteimitglieder, vor allem aber Tausende Sympathisanten aus dem Stadtviertel Dahija und dem armen schiitischen Süden des Landes.

Zum ersten Mal sieht sich die "Partei Gottes" nun mit dem Vorwurf der Korruption konfrontiert, den sie bisher stets ihrem politischen Gegner, dem Block des 14. März, vorbehalten hatte. Sehr transparent ging die Partei mit dem Problem nicht um: Der Generalsekretär der Partei, Hassan Nasrallah, gab einige wenige Stellungnahmen zu der Affäre ab, und dann verhängte die Partei eine Nachrichtensperre. Mit Erfolg: Wenige Wochen nach dem Bankrott ist das Thema aus der Öffentlichkeit verschwunden.

Bei dem Grundsatzdokument, das die Hisbollah letzte Woche veröffentlicht hat, kamen die innerparteilichen Probleme gleich gar nicht vor. Das Manifest gibt die aktuellen politischen Positionen der Partei wieder. Anders als in dem Vorgängerdokument aus dem Jahr 1985 ist nun keine Rede mehr von einer "islamischen Ordnung" und von einer Ablehnung des libanesischen "Unrechtssystems". Die Hisbollah ist längst Teil des politischen Gefüges im Zedernstaat geworden. Eine Integration mit klaren Grenzen allerdings, denn ihr Selbstverständnis als Bollwerk gegen die amerikanischen und israelischen Interessen in der Region bleibt bestehen. Auch an ihrer militärischen Rolle hält sie fest. Die Waffen der "Partei Gottes" sollen als "Abschreckung gegen den Feind" dienen und die "Unabhängigkeit und Souveränität der Heimat" sicherstellen.

Trotz aller punktuellen Zusammenarbeit mit staatlichen Stellen bleibt die Hisbollah aufgrund ihrer Waffen weiterhin ein Staat im Staat.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

2 Kommentare

 / 
  • S
    Samia

    ich schlage mit diesem posting mal der Verfasserin des Berichtes, sowie allen Lesern der taz, die hier ziemlich plump und unqualifiziert ihre Meinung äußern etwas Literatur zum Thema vor:

    1. Manuel Samir Sakmani- Der Weg der Hizbullah

    2. Stefan Rosiny- frei auswählbar

    3. Judith Palmer-Harik-Hezbollah.The changing face of terrorism

     

    So, man kann zwar nicht alles wissen und sich überall auskennen, dann sollte man aber auch nicht so tun.

     

    Herzliche Grüße zur Weihnachtszeit, einen guten Rutsch ins neue Jahr.

  • S
    Stefan

    Legen wir doch mal alle zusammen und schenken Mona Naggar ein paar neue Umschreibungen der Hisbollah zu Weihnachten, damit sie nicht so oft die "Partei Gottes" bemühen muss. Mein Geschenk wäre das Wort "TERRORORGANISATION". Merry Chrismas, Mona. Es ist jetzt dein Wort und du darfst es in Zukunft benutzen, damit sich deine zu erwartenden Berichte nicht so anhören, als hätte die Sozialdemokratische Partei Norwegens einen kleinen Spendenskandal.

    Wenn jetzt noch heraus käme, dass bei der letzten Vorstandswahl der "Partei Gottes" Unregelmäßigkeiten auftauchten, die Demokratiefähigkeit bezweifelt würde und Gerüchte über ein kleines internes Gewaltproblem auftauchten,...

    Mal im Ernst: Ist es eigentlich nötig, diese Übersetzung zu nennen, wenn es sich bei dieser Terrororganisation weder um eine "Partei" handelt und bei benanntem "Gott" auch nicht um einem Gott in unserem Wertehorizont, sondern einen, der die Zerstörung der westlichen Welt fordert? Bei anderen Faschisten geht das doch auch mit dem Klartext, warum nicht hier?

    Fazit: Eigentlich ganz nette Jungs, wäre da nicht das kleine Korruptionsproblemchen???