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Krieg in SyrienAuf der Suche nach Beweisen

Deutsche und französische Geheimdienste haben angeblich Indizien für den Chemiewaffen-Einsatz. US-Präsident Obama bekommt Zustimmung für den Militärschlag.

Hat er, oder hat er nicht? Frankreich und Deutschland glauben an Assads Schuld am Giftgas-Einsatz Bild: dpa

WASHINGTON/PARIS/BERLIN rtr/dpa/afp | US-Präsident Barack Obama hat für einen Angriff auf Syrien die Unterstützung des ranghöchsten Republikaners im Kongress gewonnen. Der Vorsitzende des Repräsentantenhauses, John Boehner, rief am Dienstag seine Kollegen auf, sich ebenfalls hinter den Präsidenten zu stellen.

Zuvor hatten die republikanischen Oppositionspolitiker John McCain und Lindsey Graham ihre Zustimmung für den Militärschlag gegen Syrien bekundet. Obama will den Kongress über einen Angriff auf Syrien wegen eines mutmaßlichen Einsatzes von Giftgas entscheiden lassen. Kritik gegen das Vorhaben kam dagegen aus den eigenen Reihen.

Senator McCain spricht sich seit langem für eine US-Intervention im syrischen Bürgerkrieg aus. Er forderte, dass es nicht nur eine Strafaktion für den mutmaßlichen Giftgas-Einsatz der syrischen Führung bleiben dürfe. Die Truppen des Präsitdenten Baschar al-Assad müssten geschwächt und die Rebellen gestärkt werden.

Unter den Demokraten ist die Zustimmung ungewiss. Obamas wichtigste Sicherheitsberater versuchten in einer Telefonkonferenz Abgeordnete der eigenen Partei zu überzeugen. „Es gibt eine Menge Skepsis“, sagte der Demokrat Jim Moran nach der Telefonkonferenz. „Wenn die Abstimmung morgen wäre, würde der Präsident nach meiner Einschätzung verlieren, oder die Resolution wäre so abgeschwächt, dass er besser ohne sie dran wäre.“

Suche nach Beweisen

Derweil prüfen die Vereinten Nationen Proben für den mutmaßlichen Einsatz von Chemiewaffen aus Syrien, um eindeutige Beweise zu liefern. Wo genau diese Proben herkommen, ist allerdings unklar.

Der Bundesnachrichtendienst (BND) geht nach Informationen von Spiegel Online von einer Täterschaft des Assad-Regimes aus. Der BND gibt an, Gespräche eines führenden Vertreters der libanesischen Hisbollah-Miliz mit der iranischen Botschaft abgehört zu haben. Darin habe der Funktionär der Hisbollah, die Assad militärisch unterstützt, den Befehl zum Giftgaseinsatz durch das Regime erwähnt.

BND-Präsident Gerhard Schindler habe ausgewählten Bundestagsabgeordneten am Montag in geheimer Sitzung von dem abgehörten Gespräch berichtet. Es fehle zwar ein eindeutiger Beweis, aber nach der Plausibilitätsanalyse sehe man Assad als Verursacher des Angriffs.

Die französischen Geheimdienste haben nach eigenen Angaben keine Zweifel daran, dass der Chemiewaffenangriff von Staatschef Assad verübt wurde. Die französische Regierung veröffentlichte am Montag Abend ein Dokument mit angeblichen Beweisen (PDF) für den Einsatz von Giftgas in Syrien durch Assad. Der französische Geheimdienst will 47 Videos systematisch ausgewertet haben.

Assad warnt vor Pulverfass im nahen Osten

Baschar Al-Assad selbst warnte am Montag vor einem Militärschlag und drohte mit dem „Pulverfass Nahost“. Der französischen Zeitung Le Figaro sagte Assad: „Es besteht die Gefahr eines regionalen Krieges.“ Der syrische Präsident forderte die USA und Frankreich auf, nur „einen einzigen Beweis“ für den Einsatz von Giftgas durch Syrien vorzulegen. Gleichzeitig lehnte er ab, über die Existenz solcher Kampfstoffe in seinem Land zu sprechen. „Ich sage gar nichts dazu, ob die syrische Armee solche Waffen hat oder nicht.“

Russlands Staatschef Wladimir Putin will nun eine Parlamentsdelegation in die USA senden, um einen Militärschlag gegen Syrien abzuwenden. Er warnte davor, dass ein US-Angriff die geplante Friedenskonferenz zu Syrien gänzlich verhindern könnte.

Zwei Millionen Syrer geflohen

Vor dem Bürgerkrieg in Syrien sind mittlerweile zwei Millionen Menschen ins Ausland geflohen. Von ihnen seien 97 Prozent in den Nachbarstaaten untergekommen, erklärte der UN-Hochkommissar für Flüchtlinge, António Guterres, am Dienstag in Genf. Diese Länder brauchten mehr Hilfe. Jeden Tag kämen 5000 Syrer über die Grenze. Zudem gebe es 4,25 Millionen Binnenflüchtlinge.

Auch im Libanon wurden bis Ende August mehr als 716 000 syrische Flüchtlinge registriert. Dazu kamen 515 000 in Jordanien, 460 000 in der Türkei, 168 000 im Irak und 110 000 in Ägypten. Mehr als die Hälfte der Auslandsflüchtlinge sind Kinder und Jugendliche.

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11 Kommentare

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  • GS
    Günter Scholmanns

    "...STRAFAKTION FÜR den MUTMASSLICHEN

    Giftgas-Einsatz der syrischen Führung".

    Mit solchem grellen Blendwerkversuch an Nonsens-Sprache entlarven sich die Verfasser doch selber als ganz üble Typen.

  • GH
    Günter Hering

    Da hilft wohl nur noch, wenn überhaupt, deutlich zu machen, wie viele auch in diesem Land gegen ein militärisches Eingreifen sind. Es gibt seit einigen Tagen eine Unterschriftenliste auf

     

    http://www.avaaz.org/de/petition/Krieg_gegen_Syrien_Wir_sagen_nein/?email

     

    Bitte unterschreiben und weitersagen!

  • AU
    Andreas Urstadt

    Die ANGEBLICHEN Telefonate sind keine Beweise. Sowas telefoniert man ueberhaupt nicht. Weiter und wenn, was man normal nie tut, was ist der Kontext, wer telefoniert da, aus welcher Hand behauptet der das.

     

    BND unterscheidet sich nicht von der NSA. Alle kommen mit Telefonaten, was soll da bewiesen werden? Solche Telefonate finden nicht statt, die Betreffenden koennen gleich mit einem Megafon rumbruellen. Plausibel ist an den BND Darstellungen gar nichts. Geheimdienste haben die Lizenz zum Luegen. Das sind die Fakten.

  • R
    Reiner

    Wenn "Beweise" fehlen, dann werden sie erfolgreich konstruiert.

     

    Hierbei hat auch der Bundesnachrichtendienst (BND) - in seiner neuen internationalen Berliner Staatsschutz-Hauptstadtzentrale - die Möglichkeit, seine historischen Erfahrungen, seit SS-SD-Gehlen, sich erfolgreich einzubringen.

     

    Die Rohstoff- und Rüstungskonzerne danken mit gutbezahlten Posten, nach der Pensionierung ...

  • KS
    Kritische Stimme

    Giftgas Syrienkrieg:

    UNObeamte werden mit Proben+Labortesten wahrscheinlich Giftgaseinsatz beweisen,keine Einsatztaeter=nicht ihre Aufgabe.

    USBeweise,keine:

    Beobachtung mit Sateliten unbezahlbar,Zeit zwischen Abschuss+Landung Geschoss 10-20 Sekunden,Umkreisbahn Sateliten 1,5-2Stunden.Theoretische SatelitenZahl fuer Dauerbeobachtung ueber 200 Stueck.

    Telefonabhoeren=kein Beweis genau wie Aeusserungen v Assadbediensteten oder US Geheimagenten.

    Einsatz-Taetermoeglichkeiten:

    1.Rebellen:

    Brauchen dringend Unterstuetzung,bekommen schon 2 Jahre Geld,Waffen,logistische Unterstuetzung+Geheimagenteneinsatz vom Westen US,UK,FR,DE,Israel,all diese Laender haben Giftgas.

    2.Assad:

    AssadAeusserung wenn fremde Truppen in Syrien sind folgt Giftgas. GiftGasopferdifferenz Rebellen 350 Tote,USA 1400 Tote,sind die Differenz US+EU EliteTruppen die nicht von Rebellen im Fernsehen gezeigt wurden?Dafuer sprechen wuerde die Entsetzung von Obama+Cameron+Hollande

  • QH
    Quart Hadash

    Das zentrale Argument der geheimdienste, dass es die Regierungsseite gewesen sein muss ist, dass die Rebellen angeblich nicht über die entsprechenden Fähigkeiten verfügen (um Chemiewaffen wie Sarin einzusetzen).

     

    Dies wurde allerdings von der UN selbst widerlegt; die Rebellen haben in der vergangenheit bereits Sarin eingesetzt. Nachzulesen hier, in der Chicago Tribune vom mai diesen Jahres:

     

    http://articles.chicagotribune.com/2013-05-05/news/sns-rt-us-syria-crisis-unbre94409z-20130505_1_chemical-weapons-sarin-syria

  • ch bin immer davon ausgegangen, dass es auf alle Fälle eindeutige und klare Hinweis auf einen Giftgaseinsatz geben müsste (siehe U-Bahn Tokyo, Iran vs. Irak), anscheinend liege ich hier falsch. Wie sagte doch G. W. Bush, aber das ist eine andere Geschichte ; )

  • P
    Pfff

    Mit der Snowden-Affäre im Genick glauben die Geheimdienste doch nicht etwa, dass ihnen noch irgendjemand in der Bevölkerung noch irgendetwas glaubt? Das wäre so lächerlich, dass es sogar ihnen selber aufgefallen ist und sie nur "ausgewählten Abgeordneten" ihr gefälschtes Material zeigen / vorspielen. *Prust*

     

    Ich tippe mal, das sind all jene Abgeordnete, bei denen durch etwaige illegale Abhöraktionen ihre jeweiligen Leichen im Keller dem BND und / oder CIA/NSA bekannt wurden. Die zweifeln diese "Indizien" bestimmt nicht an.

     

    Tja, so kann's gehen ...

  • D
    Demokrat

    Was die USA zwar wissen, aber egal zu sein scheint, wenn die eigenen geopolitischen Ziele im Vordergrund stehen, ist der Umstand, dass ein Angriff auf Syrien eine direkte Unterstützung der islamisch-radikal-konservativen Gruppierungen insbesondere der angeblich verhassten Al-Kaida zufolge hätte.

    Allein dieser Umstand reicht um die Glaubwürdigkeit dieses Staates anzuzweifeln - Die USA sind auf dem besten Weg für die eine Hälfte der Welt das neue Reich des Bösen zu werden! Wer bitte garantiert die für uns selbstverständlichen freiheitlich bürgerlichen Grundrechte der UN-Charta nach einem Sturz Assads? Wer erklärt den syrischen Frauen, dass sie nicht mehr zur Schule bzw. Universität dürfen und von nun an verschleiert rumlaufen müssen? Dass der Islam und Demokratie nebeneinander nicht möglich sind haben uns schon die jüngsten Ereignisse in der Türkei und Ägypten und die vergangenen Geschehnisse im Irak gezeigt. Die USA und unsere westlichen Koalition sollten viel mehr versuchen einen weitere islamisierung der Türkei zu verhindern und den Despoten Erdogan abzusetzen, statt ihn wo es nur geht zu unterstützen weil er bereitwillig sämtliche staatliche Souveränität zugunsten eines amerikanischen Diktats aufgegeben hat. Der arabische Frühling zugunsten eines 'sanften' Islams ist schlichtweg unmöglich. Die Bedrohung geht schon von der Religion selbst aus, da sie immer auch politisch gelebt wird.

    Gerne wäre ich in beratender Funktion tätig, doch bezweifele ich, dass die Berater unserer Politiker dies alles nicht schon wissen. Der Zweck heiligt die Mittel und stünden gerade bei uns keine Wahlen an, so würde auch eine Regierung Merkel eine militärische Koalition aktiv unterstützen-da bin ich mir sicher!

    • A
      AntiErdogan
      @Demokrat:

      Tolle Ausführung, dem ist fast nicht hinzuzufügen. Eins sollte uns dabei klar sein: Keine politisch-militärische Intervention der USA in den letzten 50 Jahren - den Balkan ausgenommen (Korea, Vietnam, Iran, Irak, Afghanistan) hat dem jeweiligen Land die propagierte Demokratisierung gebracht-Im Gegenteil!

      Nebenbei gefragt: Warum darf der türkische Staat veramtete Imame zu uns nach Deutschland entsenden und unbeaufsichtigt predigen lassen, warum haben staatliche türkische Organisationen wie die DITIP so grossen politischen Einfluss? Stattdessen könnten wir eigene islamische Theologen ausbilden und einsetzen. Die Glaubensfreiheit würde dies nicht einschränken!

  • T
    treibsand

    Zitat:"BND-Präsident Gerhard Schindler habe ausgewählten Bundestagsabgeordneten am Montag in geheimer Sitzung von dem abgehörten Gespräch berichtet. Es fehle zwar ein eindeutiger Beweis, aber nach der Plausibilitätsanalyse sehe man Assad als Verursacher des Angriffs."

     

    Gefälligkeitsgutachten sollen völkerrechtswidrige Angriffe stützen. Curveball telefonierte und BND schnappte es auf. The same procedure ...

    Das NSA-überwachte Anrufe gefakt und manipuliert werden können, interessiert den BND nicht. Er trägt brav sein Scherflein zur "Koalition der Willigen" bei.