piwik no script img

Krieg in KroatienWaffenruhe hält, UNO-Truppen vor dem Anmarsch

■ Der UNO-Sonderbevollmächtigte Cyrus Vance ist bei seinen Bemühungen um die Beendigung des Krieges zwischen Serben und Kroaten erfolgreicher gewesen als EG-Emissär Lord...

Waffenruhe hält, UNO-Truppen vor dem Anmarsch Der UNO-Sonderbevollmächtigte Cyrus Vance ist bei seinen Bemühungen um die Beendigung des Krieges zwischen Serben und Kroaten erfolgreicher gewesen als EG-Emissär Lord Carrington. Schon bald sollen UNO-Truppen in Kroatien einrücken. Bei den anstehenden Verhandlungen hofft Serbien auf die Hilfe der USA.

Die Hoffnungen auf einen dauerhaften Waffenstillstand und damit auf eine Stationierung von UNO- Friedenstruppen in Kroatien haben sich am Sonntag verstärkt, da an der rund 550 Kilometer langen Front weitgehend Ruhe herrschte. In der Nacht kam es vereinzelt noch zu Schießereien, doch wurden keine schwerwiegenden Zwischenfälle gemeldet. Nachdem am Freitag die bisher 15. Waffenruhe in dem seit über einem halben Jahr andauernden Krieg in Kraft getreten war, begann sich das Leben in den umkämpften Gebieten zaghaft zu normalisieren.

„Erste Berichte von den Fronten in Kroatien deuten bisher darauf hin, daß der 15. Waffenstillstand im allgemeinen eingehalten wird“, berichtete die Nachrichtenagentur 'Tanjug‘ am Sonntag. Der kroatische Rundfunk meldete, Panzer hätten in der Nacht einige Granaten in das Dorf Sunja gefeuert, in Zadar hätten Soldaten der Bundesarmee weitergeschossen. 'Tanjug‘ sprach von „terroristischen Aktionen“ bei Zadar, die Zwischenfälle seien aber wenig gravierend gewesen.

In den Städten, die bis Freitag unter schwerem Beschuß lagen, regte sich inzwischen wieder normales Leben. In der Hafenstadt Zadar wurden erstmals seit Tagen wieder Restaurants und Cafes geöffnet, auch Läden waren wieder offen. In der ostslawonischen Stadt Osijek konnten die Menschen erstmals seit fast einer Woche die Schutzräume wieder verlassen, in denen sie vor dem schweren Artilleriefeuer der Bundestruppen Zuflucht gesucht hatten. In der bis Freitag umkämpften Industriestadt Karlovac waren Geschäfte erstmals seit zehn Tagen wieder geöffnet, auch verkehrten öffentliche Verkehrsmittel wieder. In den beiden Städten waren aber weiterhin nächtliche Ausgehsperren in Kraft.

Kurswechsel der USA in der Jugoslawienpolitik?

Es scheint also tatsächlich etwas zu werden mit dem Waffenstillstand in Kroatien. Cyrus Vance, der UNO- Sonderbeauftragte, hat damit mehr erreicht als die Europäische Gemeinschaft, die zwar immer wieder Gespräche zwischen den Konfliktparteien herbeiführte, jedoch nicht in der Lage war, auch den entsprechenden Druck vor allem auf die serbische Seite auszuüben. Die erfolgreiche Mission von Cyrus Vance wirft natürlich auch Spekulationen über die amerikanische Position im Krieg Kroatien-Serbien auf. Hatte noch US-Außenminister Baker im Juli klar für die Einhaltung der Menschenrechte im durch Serbien verwalteten und von Albanern bewohnten Kosovo votiert und war er damals noch gegen den „Bolschewiken“ Milosevic zu Felde gezogen, so scheint schon seit einigen Wochen ein Kurswechsel in der US-amerikanischen Politik vollzogen worden zu sein.

Unterstützt durch serbienfreundliche Presseberichte hat die amerikanische Administration vorsichtig Kontakte geknüpft, der sie im weiteren Verlauf der diplomatischen Aktivitäten in Gegensatz zu den Europäern bringen könnte. „Die USA verstehen die Sprache der Machtpolitik“, erklärte ein serbischer politischer Analytiker der taz, „deshalb verstehen sie Milosevic jetzt besser.“ Die erkennbaren Sympathien für ein neues Jugoslawien durch die USA, die ja bekanntermaßen einen großen Einfluß auf die Entscheidungen der UNO haben, helfen, die Träume des serbischen Präsidenten Milosevic zu verwirklichen.

Dieses neue Jugoslawien, das am Freitag unter Führung der Milosevic-Partei in Belgrad propagiert wurde und die serbisch dominierten Gebiete in Kroatien, Bosnien Herzegowina sowie Montenegro und die heutige Republik Serbien umfassen soll, müßte sich nämlich nicht den Prozeduren für die Anerkennung neuer Staaten, die von der EG aufgestellt wurden, unterwerfen. Und zu diesen Prozeduren gehört die Anerkennung der Rechte der Minderheiten, also auch der Albaner in Kosovo.

Serbische Kritik an Milosevic

Andererseits würde der amerikanische Kurswechsel erklären, weshalb sich Milosevic für die Stationierung von UNO-Truppen in Kroatien ausgesprochen hat, da er mit der diplomatischen Rückendeckung der USA bei den kommenden Verhandlungen unter der Ägide der Vereinten Nationen durchaus auf die Realisierung von Grenzkorrekturen in Kroatien rechnen kann. Dem zu bildenden Verhandlungsgremium jedenfalls kommt große Bedeutung zu (siehe auch Interview).

Nicht alle serbischen Politiker können dieser Strategie zustimmen. Vehement kritisierte der Präsident der serbischen autonomen Region in Kroatien, der Krajina, Milan Babic, die Stationierung der UNO-Truppen auf seinem Gebiet. Wie viele rechtsradikale Serben hält Babic die Entwaffnung seiner Garde und den Rückzug der jugoslawischen Bundesarmee aus seinem Gebiet für ein zu großes Risiko. Milosevic habe dem Friedensplan von Vance zugestimmt, „ohne die Meinung des serbischen Volkes in der Krajina zu berücksichtigen“. Für die wachsenden Spannungen zwischen der serbischen Führung in Krajina und Milosevic sprach schon die Tatsache, daß Serbien bisher die Ausrufung des unabhängigen Staates „Krajina“ offiziell zurückhaltend aufgenommen hat. Babic fürchtet, daß die Krajina zur Verhandlungsmasse degradiert wird.

Der Führer der „Serbischen Erneuerungsbewegung“, Vuk Draskovic, und die Demokratische Partei Serbiens opponieren ebenfalls gegen den Plan Milosevic, ein neues Jugoslawien bzw. ein großes Serbien zu schaffen. Sie verweigerten deshalb die Teilnahme an der Jugoslawien- Konferenz, da diese durch die Milosevic-Partei in unerträglicher und „undemokratischer Weise“ dominiert würde, wie sich Belgrader Oppositionelle gegenüber der taz ausdrückten. Für Vuk Draskovic spielt dabei vor allem eine Rolle, daß bei einem Erfolg Milosevic' das bisherige neokommunistische System stabilisiert würde. Und für Teile der Demokratischen Partei spricht, daß sie darüber hinaus die Frage der Minderheiten bei einer demokratischen Erneuerung Serbiens nicht mehr ausklammern wollen. Die politische Szenerie in Serbien scheint jetzt wieder in Bewegung zu geraten. Erich Rathfelder

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen