■ Kraftlose Ozon-Verordnung: Wer lügt am besten?
Die Kraftlosigkeit, mit der dieser Senat sich der Umweltpolitik widmete, illustriert in diesen Wochen das Thema Ozon. Noch im letzten Jahr, als Berlin und ganz Deutschland unter den heißen Tagen ächzten, war die Sommersmog-Gefahr für viele Bürger unmittelbar. Kopfschmerzen und gereizte Augen mögen selbst manchen Senator in die Sitzungen begleitet haben. In diesen bislang eher feuchten Wochen blieb Ozon eine trocken-theoretische Angelegenheit im fernen Bonn. Dort nämlich streiten sich Bundesregierung und SPD-regierte Länder seit Wochen um den richtigen Weg: christdemokratische Fahrverbote à la Angela Merkel oder zusätzliche sozialdemokratische Tempolimits ab 180 Mikrogramm. Wenn der morgen tagende Vermittlungsausschuß von Bundestag und Bundesrat noch weiteres Anschauungsmaterial für einen faulen Kompromiß nötig hätte, bräuchten sie nur vorab Berlins Umweltsenator Volker Hassemer (CDU) zu fragen. Seine Fahrverbots-Verordnung ab 240 Mikrogramm erinnert an eine Soft–Ausgabe der Merkel-Initiative: Handlung vortäuschen, real weiterrasen.
Seinen autoverliebten Parteifreunden erspart Hassemer jedes Tempolimit. Abgesehen von einigen härteren Bestimmungen – etwa für Motorräder ohne G-Kat (sie verursachen an Wochenenden rund 30 Prozent der Ozon-Emissionen) – gibt es jede Menge butterweicher Ausnahmen. Was sind, bitte schön, Urlaubsfahrten? Fällt darunter auch der Ausflug zur Datsche im Umland? Sollen Polizisten künftig mit Lügendetektoren ausgerüstet werden, wenn ihnen Pendler weismachen, in ihrer Nähe gebe es kein Nahverkehrsmittel, mit dem sie zur Arbeit fahren könnten? Das Hassemer-Fahrverbot ist nicht nur ein gigantischer Bürokratismus. Er lädt auch zum Wettkampf der besten Lügen ein. Severin Weiland
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