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Archiv-Artikel

nebensachen aus monrovia Kränzchen ohne Kaffee mit Rebell im Ruhestand

Seltsamen Typen kann man in Westafrika begegnen: erst kürzlich in Guinea-Conakry einem Erotik- und Pornofilmer aus Saarbrücken. Und jetzt in Liberias Hauptstadt Monrovia dem ehemaligen Rebellengeneral „Iron Jacket“ beim Kaffeekränzchen. Aber Iron Jacket trägt keine eiserne Jacke, und Kaffee trinken wir auch nicht. Um 16 Uhr, zu Beginn der Regenzeit, ist es viel zu heiß. Ein liberianisches Club Beer, gebraut von Schweizern mit Hilfe eines Deutschen, läuft da schon leichter die Kehle runter.

Wie Iron Jacket zu seinem Namen kam, ist unklar. Vielleicht gehört er zu denen, die durch traditionelle Medizin unverwundbar wurden? Klar ist nur: Es ist im wesentlichen sein Verdienst, dass die Lurd-Rebellen Präsident Charles Taylor 2003 besiegten. Monrovianer sagen, dass Taylor auf keinen gegnerischen General so schaute wie auf Iron Jacket. Um jeden Preis musste Kriegsfürst Taylor den Hafen halten. Doch Iron Jacket brach mit der Übernahme der Schiffsanlagen dessen militärisches Rückgrat.

Doch er trägt auch Mitschuld an einem Kriegsverbrechen: Als ein Scharfschütze Iron Jacket und seinen Kämpfern das Leben schwer machte, flog eine Granate zu weit und landete auf dem Gelände der US-Botschaft. Dort hatten Tausende Zuflucht gesucht und saßen auf dem Boden, als die Granate zwischen ihnen explodierte. Mehr als zwei Dutzend Menschen starben. Einer der Momente, die die internationale Gemeinschaft zum Eingreifen bewegte.

Doch die Zeiten haben sich geändert. War es in den Wirren des Bürgerkriegs üblich, mit Autos ohne Kennzeichen herumzufahren, fährt Iron Jacket heute einen hellblauen, neuen Peugeot 307, ordentlich registriert. Heraus springt ein junger Mann: Blue-Jeans, weiße Turnschuhe, T-Shirt. Er setzt sich hin, ein Glas Orangensaft kommt. Iron Jacket sei für seine Selbstbeherrschung bekannt, sagt der Gastgeber. Eisenjackes Augen fixieren sein Gegenüber, trotzdem wirkt er fast schüchtern.

Dem 31-Jährigen eilt ein überraschend guter Ruf voraus für jemanden, der in einem grausamen Bürgerkrieg eine Rolle spielte. Während andere Kommandeure wie General Erdnussbutter oder General Buschkuh es für unerlässlich hielten, mit allen Formen der Gewalt über Menschen herzufallen, war es den Kämpfern um General Eisenjacke bei Strafe untersagt, sich an der Bevölkerung zu vergehen.

Das rechnen ihm viele Liberianer bis heute hoch an. Er sei einer der ganz wenigen Exkommandeure, die sich überall im Land frei und sicher fühlen können, so der Gastgeber über seinen Freund. Was er im neuen Liberia macht? Ein paar Geschäfte.

Der Gastgeber macht in Bodenschätze. Iron Jacket kommt aus einer Provinz, wo er was zu sagen hat. So kann er seinem Freund ein paar Schürf- oder Abholzrechte verschaffen. Anfangs hatte die Interimsregierung Iron Jacket die Kontrolle des Hafens übertragen. Er hätte anders durchgreifen müssen, um kriminelle Geschäfte zu stoppen, aber das wollte er nicht. Also hat Eisenjacke freiwillig den Posten im Hafen geräumt und ist auf seine privaten Geschäfte angewiesen. Er scheint gereift in einem reiferen Liberia angekommen. Einer Nation, der es dämmert, dass Korruption, Selbstüberschätzung und Skrupellosigkeit die Saat für Konflikte sind. Die einen haben dies auf US-Unis nicht gelernt. Dafür die anderen im liberianischen Busch. HAKEEM A. JIMO