■ Kommentare Die EU verhindert eine fortschrittliche Müllpolitik: Müll ist wertvoll
Früher hieß die Europäische Union Europäische Wirtschaftsgemeinschaft. Diese Wurzeln der Integration machen sich auch heute noch in der Abfallpolitik bemerkbar. Für die EU-Kommission war Abfall lange Zeit ein wirtschaftliches Gut wie jedes andere, das in der ganzen Union frei handelbar sein mußte. Selbst für Sondermüll galt dieses Credo. Heute hat man von dieser Position zumindest verbal Abstand genommen.
Doch immer noch versucht die EU, fortschrittliche Abfallpolitik ihrer Mitgliedstaaten zu behindern. Als Dänemark Anfang der achtziger Jahre aus ökologischen Gründen ein obligatorisches Pfandsystem für Getränkeverpackungen schuf, versuchte die Kommission sofort, dieses System kaputtzumachen. Ihr Argument: Mehrwegsysteme begünstigen regionale Anbieter und behindern daher den Binnenmarkt. Glücklicherweise half der Europäische Gerichtshof dem kleinen Land und erkannte an, daß Umweltschutzziele nicht hinter dem Binnenmarkt zurückstehen müssen. Das dänische Pfandsystem existiert noch heute.
Als der Binnenmarkt 1985 in Angriff genommen wurde, gab es noch keine einheitliche Regelung für Verpackungen. Und eigentlich hätte er auch keine benötigt. In den USA gibt es immerhin neun Staaten oder Regionen, in denen es ein Zwangspfandsystem für bestimmte Verpackungen gibt. Und trotzdem funktioniert der US-Binnenmarkt. Erst als in Deutschland das duale System mit dem grünen Punkt eingeführt wurde, hielt die EU- Kommission eine EU-Verpackungsrichtlinie für erforderlich.
Das deutsche System war der Kommission deshalb ein Dorn im Auge, weil Grüne und SPD gegenüber dem damaligen Umweltminister Töpfer hohe Recyclingquoten durchgesetzt hatten. Die lächerlichen Mindestrecyclingquoten der EU werden heute schon von allen Mitgliedsstaaten überboten. Statt Anreize zu bieten, sieht das europäische Recht nun Recycling-Obergrenzen vor, weil die deutschen Altmaterialexporte die Recycling- Märkte in anderen Mitgliedsstaaten überschwemmt hätten.
Um die deutsche Verpackungsordnung endgültig zu Fall zu bringen, hat die EU-Kommission inzwischen sogar ein Vertragsverletzungsverfahren gegen die Bundesrepublik eingeleitet. Ihr neuestes Argument: Weil auch ausländische Händler und Produzenten ihre Verpackungen zurücknehmen müssen, würden sie im Wettbewerb behindert, da sie längere Wege zurücklegen müßten. Die EU-Kommission setzt offensichtlich weiter auf Mülldeponien und Verbrennung. Damit Staaten wie Portugal und Irland sich Verbrennungsanlagen anschaffen können, gibt die EU sogar Finanzspritzen und klassifiziert das auch noch als Umwelthilfe ... Alexander de Roo
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