Kommentar : Fraktionschef ohne Zukunft
Es war einmal ein hoffnungsvoller Oppositionsführer. Vielleicht etwas voreilig und unzuverlässig, aber blitzgescheit und gewitzt. Das Herz sitzt beim „Vorsitzenden des Vereins zur Wiedereinführung der Vermögenssteuer“ auf der guten, der sozialdemokratischen Seite. Siggi, den Ex-Popbeauftragten der SPD, mögen deshalb viele. Nur: Gabriel hat in der Affäre um die Beraterverträge sein letztes bisschen Glaubwürdigkeit, seine Zukunft als Politiker verspielt. Vielleicht sind bei den 141 neuen Verträgen, die die CDU voller Häme präsentierte, tatsächlich Titel, die 2002 nicht hätten genannt werden müssen. Aber ein Großteil war wohl auch damals schon veröffentlichungspflichtig.
Wie kann es also sein, dass eine Landesregierung ihr Parlament so krass belügt? Man kann es sich nur so erklären, dass Gabriel damals nicht glaubte, jemals abgewählt zu werden. Jetzt sollte er freiwillig das Amt des Fraktionschefs räumen. Viel SPD-Opposition fand in der Zeit des Wundenleckens nach der Wahlschlappe im niedersächischen Landtag ohnehin nicht statt. Dazu kommt das friendly fire aus Berlin. In Hannover wird gemunkelt, das Kanzleramt lanciere im Spiegel Geschichten, die den Gabriel demontieren sollen. Unlängst jazzte das Blatt sogar Ex-Wissenschaftsminister Oppermann an Gabriel vorbei als „ministrabel“ hoch. Lange hatte Sigmar als die Hoffnung aus Niedersachsen gegolten, viele waren enttäuscht, als er nicht Generalsekretär wurde. Aber das war alles mal. Gabriel hat sogar den Rückhalt seiner eigenen Fraktion verloren – die Schützenhilfe für ihn fiel gestern mehr als mau aus. Die Abgeordneten haben begriffen, dass Gabriel nur noch Altlast ist. Kai Schöneberg