Kommentar :
Schleichweg statt Notausgang
Auch wenn die SPD und insbesondere die Fraktion sich auf dem Parteitag als – im scherfschen Sinne – verlässlich und regierungsfähig erwiesen hat: Ein Drittel der Basis hat sich gegen den Koalitionsvertrag ausgeprochen. Und das ist viel.
Das Koalitionspapier, es wurde oft gesagt, gereicht der im Verhältnis zur CDU deutlich stärkeren SPD nicht zum Vorteil. Warum, so fragte das sozialdemokratische Urgestein Gerd Marcus auf dem Parteitag, warum konnten sich die Verhandler nicht einmal bei einem finanzpolitisch irrelevanten Thema wie der Härtefallkommission für Asylbewerber durchsetzen?
Der ernsten Miene Jens Böhrnsens nach der Abstimmung konnte man entnehmen, dass das Ergebnis insbesondere für die Fraktion ein schweres Pfund ist. Was passiert, wenn Scherf in zwei Jahren abtritt und er den Laden nicht mehr in seiner so autoritären wie integrativen Art zusammenhält? Fliegt er dann auseinander?
Die SPD, namentlich die Fraktion, muss in den kommenden zwei Jahren mindestens einen Teil derer zurückgewinnen, die sich im Zuge der Koalitionsverhandlungen abgewandt haben. Jens Böhrnsen hat die Botschaft wohl verstanden. Ein Koalitionsvertrag sei kein Grundgesetz und keine Bibel, betonte er in seiner Rede, sondern ein Grobraster. Damit bot er den Genossen einen Schleichweg aus den Verabredungen mit dem Juniorpartner an – in der Hoffnung, dass sie den Notausgang noch einmal links liegen lassen. Die Frage ist, ob Scherf bei diesem Spiel mitspielt oder ob er die Fraktion, wie so oft in der Vergangenheit, zugunsten seiner Verabredungen mit der CDU im Regen stehen lässt. Elke Heyduck