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KommentarRot + Rot = Grau

Kommentar von Ralph Bollmann

Die Fusion zwischen PDS und Linkspartei wird der ehemals bunten ostdeutschen Regionalpartei nicht nur Freude bringen. Im Gegenteil.

A n diesem Wochenende werden die Genossen der neuen Linkspartei jubeln über ihre geglückte Fusion, deren Ernte sie schon im Voraus eingefahren haben: Rückkehr als Fraktion in den Bundestag, Einzug ins erste westdeutsche Landesparlament. Da sind selbst die Widerstände vergessen, die es vor allem beim kleineren Partner WASG gab.

Bild: taz

Ralph Bollmann, 38, ist Inlands-Redakteur der taz

Aus gutem Grund diskutiert die PDS ungern öffentlich darüber, welche Probleme die Fusion für die Partei mit sich bringt. Bislang passte hier mehr als in jeder anderen politischen Formation zusammen, was eigentlich gar nicht zusammengehört - vom Rentner aus dem Plattenbau bis zum Freak aus dem Szeneviertel. Ganz gleich, was nun genau im Parteiprogramm stand: Als PDS-Anhänger konnte man für oder gegen eine liberale Einwanderungspolitik sein, für oder gegen die Freigabe von Drogen, am Ende sogar für oder gegen Kürzungen in den öffentlichen Haushalten. Auch wer das als Beliebigkeit kritisierte oder als Beleg für das schlechte Gewissen der einstigen Einheitspartei abtat, musste anerkennen: Auf dem Weg der kulturellen Öffnung war die PDS in den fünfzehn Jahren seit der Wende erstaunlich weit vorangekommen - so weit, dass am Ende sogar Koalitionen auf Bundesebene in Reichweite schienen.

Damit ist es nun vorbei. Mit der WASG hat sich die Partei eine Riege von älteren Herren aus den westdeutschen Gewerkschaften eingehandelt, die habituell eher an den einstigen SED-Funktionärskader gemahnen. Am Unangenehmsten fällt allgemein die prominenteste Neuerwerbung auf, der frühere SPD-Vorsitzende Oskar Lafontaine. Er blockiert durch seine bloße Anwesenheit jede Koalitionsaussicht mit den Sozialdemokraten, bringt mit Schimpftiraden den Berliner rot-roten Senat in Bedrängnis und rückt mit Einlassungen wie jenen über "Fremdarbeiter" die ganze Partei ins Licht eines skrupellosen Linkspopulismus. Als Lafontaines persönliche Marotte allein lässt sich das allerdings nicht abtun. Zumindest in der Tendenz ist es die logische Konsequenz aus der Verwandlung von einer bunten ostdeutschen Regionalpartei in eine graue gesamtdeutsche Richtungspartei. Das wird die neue Linkspartei noch einholen, wenn die erste Euphorie verflogen ist.

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11 Kommentare

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  • HB
    Herbert Bludau-Hoffmann

    "Die kulturelle Öffnung der PDS wird also jetzt beendet durch die älteren Gewerkschafter der WASG, die habituell an einstige SED-Kader erinnern." Das ist für mich die Kernbotschaft des unsäglichen Kommentars von Ralph Bollmann. Man kann zu der neuen Linkspartei stehen, wie man will; mich bewegt an der Stelle ein anderer Punkt: als taz-Genosse und verdianer, der in Gewerkschaften für die taz wirbt, obwohl oder gerade weil die taz manchmal nicht pfleglich mit den Gewerschaften umgeht, so bin ich doch gelinde gesagt sauer über den Kommentar. Da ist zwar chic und modern im Kommentar von Kultur und Habitus die Rede, doch ist die Assoziationskette Gewerkschaft-alte Männer-WASG-SED-Kader-DDR-Diktatur. Das Gewerkschaftsbild, aber auch das Bild über eine Linke das darin immer wieder zum Ausdruck kommt finde ich erbärmlich für eine linksliberale Zeitung. Als NRWler frag ich mich aus aktuellem Grund darüber hinaus, wie man in NRW 1000 neue Abos erzielen will, wenn man deutlich zu erkennen gibt, das man mit den in NRW traditionell noch stärker vorhandenen gewerkschaftlichen Strukturen aber vielleicht auch mit der Linken nichts anzufangen weiss.

    Im übrigen soll es unter den Genossen und Abonennten der taz und im grün-alternativen Spektrum auch ältere Männer geben und nicht nur in den Gewerkschaften.

  • AR
    Ansgar Rannenberg

    Dieser Kommentar von Ralph Bollmann ist ein weiteres unruemliches Kapitel in der undifferenzierten und Resentimentgeladenen PDS/Linksparteibereichterstattung der taz. Nachdem ueber Jahre hinweg in diesem Blatt fast ausschliesslich negatives ueber politische Kultur und Strukturen der PDS zu lesen war, faellt Ralph Bollmann puenktlich zum Vereinigungsparteitag von PDS und WASG ein, dass die PDS ja eigentlich doch ein ganz symphatischer Haufen war, den man lieber nicht dem dubiosen Ziel einer gesamtdeutschen Linken opfern sollte. Diese staendige Denounzierung der einzigen linken Partei in Deutschland wird dem Anspruch, "Gegenoeffentlichkeit" zu sein, den die taz so gerne vor sich hertraegt, jedenfalls nicht gerecht.

  • MR
    Michael Rothe

    Gut, dass die alten WASG-herren auf ener linie mit den PDS-Kadern sind. Gemeinsam können sie an der restauration ihrer privilegeien basteln: Leben wie daeinst Honi. Und auch bautzen, wo so lim gefoltert wurde, danach schlecken sie sich die Finger. Und eine Stasi-Truppe, das ist doch das höchste - vielleicht noch ein paar leopardpanzer um die Mitglieder in Schach zu halten wie anno 53. Jetzt können die SED-verbrechen mit der Marke des Gutmenschen "Die Linke" bemäntelt werden. Dabei sind sie so links wie einstens die DKP, deren Mitglieder die grausamsten Verbrecher von Stalin bis Breschnew stets begeistert und devot bejubelten.

  • K
    Kristoph

    Die Jungle World hat einen wunderbaren Artikel über die neue Alte Linke geschrieben, darin heißt es: "Da ist Oskar Lafontaine, der an der faktischen Abschaffung des Asylrechts mitwirkte, der für Folter unter gewissen Umständen Verständnis zeigte, der deutsche Arbeiter vor »Fremdarbeitern« schützen wollte, der den Bau von Auffanglagern für Flüchtlinge in nordafrikanischen Ländern begrüßte und eine Gemeinsamkeit zwischen linker Politik und dem Islam darin sieht, dass »das Zinsverbot noch eine Rolle« spiele" (Regina Stötzel).

     

    Ich meine: es sind keine plumpen, erfunden Vorwürfe auf einem ideologischen Niveau. Im Gegenteil. Ich würde ja gerne mit der DIE LINKE etwas anfangen können, wirklilch, das, was die Kipping sagt gefällt mir; nur Gestalten wie Lafontaine, die eben beispielhaft sind, sind ein Problem. Grau statt bunt.

     

    Die Frage ist, gemünzt auf deinen Vorwurf: Welche Kriterien muss ich anlegen, um eine Patei zu bewerten? Die Spitze bietet da einen guten Zugang. Und dort sind Gestalten wie Lafontaine wesentlich dabei, sie prägen das öffentliche Gesicht -- dass es auch andere gibt, klar. Deswegen ist das, was du als "persönliche Diffamierung" bezeichnest eine stichhalte Analyse.

  • US
    Ulrich Sedlaczek

    Wenn es Lafontaine nicht gäbe, Bild FAZ und TAZ müßten ihn erfinden. "Populitst" ,"Demagoge", hat einmal das Wort "Fremdarbeiter" in den Mund genommen und sich damit für alle Zeiten als Rechtsradikaler entlarvt. Kein Kommentar der Einheitspresse zur Linken kommt ohne die Verteufelung Lafontaines aus.

    Ich bin Mitglied in der Linkspartei München und stelle immer wieder fest, dass die Darstellungen in der Presse nichts mit der Wirklichkeit in beiden linken Parteien zu tun hat. Wir unterstützen den Streik der Telekom, machen Kampagnen für Mindestlohn und streiten im Stadtrat für ein Sozialticket usw. Der Altersdurchschnitt der aktiven Mitglieder dürfte etwa im Wählerdurchschnitt liegen, ca. 30% Frauen. Bei inhaltlichen Differenzen laufen die Linien quer durch die Parteien, Altersgruppen und Geschlechter.

    Die TAZ soll ja kein Organ der Linkspartei werden. Aber weniger persönliche Diffamierung und mehr inhaltliche Differenzierung wäre sehr angebracht.

  • RW
    Rüdiger Weckmann

    Freddy 2000 hat völlig Recht.

     

    Es gibt zwar in der TAZ immer wieder Artikel gegen dem neoliberalen Mainstream, aber bekannt sind auch die zahlreichen Journalistenkarrieren, die in dieser Zeitung begannen und beim SPIEGEL oder anderen bürgerlichen Blättern endeten. Letzteres geht auf keinen Fall mit öffentlich geäußerten Sympathien für Lafontaine.

  • K
    Kristoph

    Kann dem Text nur zustimmen, da wird eine graue, anachronistische Partei installiert, die darüberhinaus die gesamte Linke mit diesem unverschämten Namen und der Vereinnahmung der außerparlamentarischen Opposition diskreditiert.

     

    Ich verstehe jedenfalls nicht, was an dem Kommentar "systemkonform" sein soll. Er analysiert die Chancen der "DIE LINKE" aus der Partei selbst heraus, was ja eine angemessene Herangehensweise ist. Es ist selbstverständlich, dass Parteien von anderen abhängig sind.

     

    Auch ist mir unklar, was es für ein Argument ist, dass auch "Dinosaurier (...) Durchschlagspotential aufweisen". Denn ich will nicht, dass irgendeine linke Politik gemacht wird, sondern eine, die wahrhaft progressiv ist. Dazu ist Rentenoskar und seine Altgewerksschafts-WASG inhaltlich (!) nicht in der Lage. Das ist das Problem.

  • WH
    Wolfgang Hörner

    Der Kommentar dient doch nur dazu,von der neoliberalen,sich B90/Die Grünen nennende Öko-FDP abzulenken, indem man die linke Konkurrenz diffamiert. Herr Bollmann hat einen adäquaten Kommentar während des G8-Gipfels gegenüber Attac geliefert

  • FK
    fred kasulke

    Der Kommentar ist der TAZ nicht würdig.

    Weil: 1.Eigentlich sollte es doch um Inhalte gehen. Der Kommentar zeigt einseitig die persönlichen, negativen Befindlichkeiten des Autors( "Ewig Gestrige") und nicht die gesellschaftlichen Möglichkeiten, die sich aus einer starken "linken" Opposition ergeben.

    2. Das einseitige Diktat durch die Mächtigen existierte doch nicht nur im SED-Staat. Die Machtmittel wie Polizei-Druck und Diskriminierung Andersdenkender werden doch im Deutschland im Jahr 2007 wie vor 1989 in der DDR angewendet. Nur wenn Politiker, gesellschaftliche Vordenker und der Staat versagen, haben Extremisten eine Chance. Die "Linke" auf Stalinistische Methoden zu reduzieren, zeigt das mangelnde Verständnis für gesellschaftliche Vorgänge. Die Basis braucht eine zukunftsfähige, ausgleichende Gesellschaftordnung, wo auch die INTEGRATION der Schwächsten funktioniert. Wenn die Chefs der Christlichen(?) Union und der Sozialdemokratie dieses Ziel vedrängen, brauchen wir Organisationen die der Politik eine zukunftsfähige Richtung geben.

  • F2
    Freddy 2000

    Ein Kommentator der "linken" TAZ müsste sich wohl eher fragen, wieso denn eine SPD sich ständig mit fadenscheinigen Gründen von der Linkspartei distanziert, andererseits mit der Wirtschaft ins Bett geht. Obwohl eine Linke Mehrheit im Bundestag bestehen würde koaliert man mit rechts. Aber nein, Ralph Bollmann liefert einen systemkonformen Kommentar ab, den man heutzutage in jedem gleichgeschalteten Käseblatt lesen kann. Plant er seine Zukunft beim Spiegel?

  • MJ
    Matthias Jung

    die befürchtungen real, aber nicht vergessen, wir leben - noch - in einer demokratie. lernen aus der geschichte ist noch nicht verboten. dinosaurier mögen durchschlagspotential aufweisen allein die stimmung zählt...