Kommentar: Missachtung des zivilen Umgangs
Die Kampagne der Islamisten gegen den Ritterschlag von Salman Rushdie zeigt: Ihnen mangelt es an Souveränität im Umgang mit längst bedeutungslosen Formen
N obilitiert die britische Königin anlässlich ihres Geburtstags eine Persönlichkeit, so lebt diese Geste gerade vom Charme ihres Atavismus, ihrer politischen Bedeutungslosigkeit. Die Reaktionen jedoch im Iran, in Pakistan und in Malaysia auf den Ritterschlag für Salman Rushdie erwecken einen geradezu gegenteiligen Eindruck.
Einerseits erklärt der Vizepräsident des iranischen Parlaments, dass die britische Monarchie in einer Traumwelt lebe und irrtümlich meine, dass eine solche Auszeichnung irgendeine Bedeutung habe. Andererseits verhalten sich die Regierungen der genannten islamistisch regierten Länder ganz so, als ob das britische Empire noch in voller Blüte stünde und die jährliche Nobilitierung ein zentrales Ereignis für alle Einwohner der Kolonien und abhängigen Länder wäre. Ja was denn nun? Wenn der Ritterschlag so bedeutungslos war, warum dann der Wutschrei, warum parlamentarische Resolutionen im Iran und in Pakistan?
Die jetzt inszenierte Kampagne gegen den Ritterschlag für Rushdie enthüllt: Den Islamisten mangelt es an Souveränität. Sie unterwerfen sich in gewisser Hinsicht symbolischen Formen, die, wie im Fall der Nobilitierung, ihre Bedeutung längst eingebüßt haben. Zudem fachen die Regierungen dieser Länder durch Parlamentsresolutionen, durch Einbestellung der britischen Botschafter selbst eine "Massenempörung" an und ermuntern zu Gewalttaten, die sie doch angeblich verurteilen und bekämpfen.
Im Gegensatz zur Publikation der Mohammed-Karikaturen steht dabei der Ritterschlag für Rushdie jenseits jedes Verdachts, zur Ausgrenzung muslimischer Minderheiten im Westen beizutragen. Rushdie ist britischer Staatsbürger, das "Sir" vor seinem Namen kann niemals ein "beleidigender und ungebührlicher Akt" sein.
Wenn Großbritanniens Krone jemanden zum Ritter schlägt, ist damit keine Aggression gegen irgendein Land verbunden, nichts, was eine politische Reaktion seitens angeblich betroffener Staaten rechtfertigen würde. Es ist diese Missachtung zivilen Umgangs im zwischenstaatlichen Bereich, die die Reaktion der islamistischen Regierungen nicht nur lächerlich, sondern auch gefährlich macht.
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