Kommentar: Die Lokführer müssen streiken
Die Lokführer werden wieder streiken. Das mag für Klimaschützer ärgerlich sein, ist aber unausweichlich. Anders ist die starre Haltung der Bahn nicht aufzubrechen.
W er in diesen Tagen mit der Bahn in den Urlaub fahren will, hat Grund, nervös zu werden. Die Lokführer werden wieder streiken. Und auch wenn sie versprechen, die Bahntouristen möglichst wenig zu stören, muss sich derjenige, der pünktlich am Flug- oder Fährhafen sein will, um Alternativen kümmern. Das mag für Klimaschützer ärgerlich sein, ist aber unausweichlich. Anders ist die starre Haltung des Bahnvorstands nicht aufzubrechen.
Stephan Kosch ist stellvertretender Ressortleiter des Wirtschaftsressorts der taz.
Denn die Ziele, für die gestreikt wird, sind ebenso richtig wie bei der ersten Streikwelle vor einigen Wochen. Das Gehalt der Lokführer ist angesichts ihrer Verantwortung zu gering. Die Forderung der Lokführergewerkschaft GDL nach einer Anhebung um 31 Prozent klingt zwar maßlos, das muss sie aber auch sein, wenn am Ende deutlich mehr als 1.500 Euro netto Monatslohn herauskommen sollen. Wenn sich die großen Bahngewerkschaften Transnet und GDBA in ihren Tarifrunden mit einem geringeren Zuschlag zufriedengegeben haben, ist das ihr Problem. Der GDL steht es nach wie vor frei, um deutlich mehr Lohn für ihre Mitarbeiter zu kämpfen.
Doch der Streik geht über die rein finanzielle Frage hinaus. Er weist auf ein Problem der deutschen Gewerkschaften hin. In der Vergangenheit setzten sie, analog zu den Konzentrationsprozessen bei Unternehmen, auf Zusammenschlüsse und Fusionen. Je größer die Gewerkschaft, so die Hoffnung, desto größer ist ihre Macht. Auch die Tarifgemeinschaft bei der Bahn, die Transnet und GDBA seit Jahren bilden, folgt diesem Prinzip.
Solche Großgewerkschaften bringen dem einzelnen Mitglied aber nicht unbedingt Vorteile. Zwar geben sie den jeweiligen Vorsitzenden in den Verhandlungen mit den Arbeitnehmern ein größeres Druckpotenzial. Wenn sie es aber nicht nutzen, um den unterschiedlichen Arbeitsbedingungen der Arbeitnehmer in einer Branche durch differenzierte Abschlüsse Rechnung zu tragen, wird die Größe zum Selbstzweck. Im Falle von Transnet und Deutscher Bahn kommt noch eines hinzu: Die große Nähe zwischen Unternehmenschef und Gewerkschaftsvorsitzenden strapaziert das Vertrauen der Mitarbeiter. Da muss der Größenwahn an sein Ende kommen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Müntefering und die K-Frage bei der SPD
Pistorius statt Scholz!
Urteil nach Tötung eines Geflüchteten
Gericht findet mal wieder keine Beweise für Rassismus
Aktienpaket-Vorschlag
Die CDU möchte allen Kindern ETFs zum Geburtstag schenken
Waffen für die Ukraine
Bidens Taktik, Scholz’ Chance
Unterwanderung der Bauernproteste
Alles, was rechts ist
Rentner beleidigt Habeck
Beleidigung hat Grenzen