■ Kommentar: Kontrolle, aber dalli!
Wenn die SPD sich Gedanken zum Thema Verkehr macht, ist das an Peinlichkeit nicht mehr zu überbieten. Bei Pressekonferenzen hat ohnehin nicht die verkehrspolitische Sprecherin das Wort, sondern ihr Fraktionsvorsitzender oder – wie gestern – der wirtschaftspolitische Sprecher. Aber sehen wir mal davon ab, daß die eigene Partei ihre bestellte Sprecherin nicht ernst nimmt. Was ist die sozialdemokratische Weihnachtsbotschaft an die Autofahrer für das Jahr 1993? Richtig: Es staut sich allerorten, und so kann das nicht weitergehen – der Autoverkehr muß vermindert werden. Wer hätte das nicht gewußt? Wenn es aber ans Eingemachte geht und die Sozis sagen sollen, wie sie den Verkehr „klein“ kriegen, dann drucksen sie herum. Wer sich nur traut, davon zu reden, daß es sein könnte, daß in naher Zukunft Straßen gesperrt werden, dem fehlt der Mumm, seine Wähler mit der Wahrheit zu konfrontieren. Bei den anstehenden Mammut-Bauprojekten und der voraussehbaren Zunahme des Autoverkehrs wird nicht einmal der ADAC verhindern, daß Straßen gesperrt werden.
Der Mumm fehlt den Sozis aber auch gegenüber ihrem Koalitionspartner und dem Verkehrssenator. Ein Senator, der Koalitionsvereinbarungen immer wieder verschleppt, statt umzusetzen, müßte seinen Hut nehmen. Aber was will die SPD? Sie will im Koalitionsausschuß am kommenden Mittwoch die Umsetzung von Projekten fordern, die seit sechs Monaten hätten begonnen werden können. Diesmal soll der Verkehrssenator die mit der CDU vereinbarten Punkte „aber wirklich“ umsetzen. Mehr wagt die SPD nicht – denn wegen des Staus auf der Straße wolle man die Koalition nicht platzen lassen. Da ist die CDU ja schon weiter, die hinter vorgehaltener Hand davon spricht, daß die unfähige Betonverwaltung An der Urania schärfer kontrolliert werden müsse. Die Sozis kommen dagegen nicht einmal auf die Idee, dem Verkehrssenator einen Staatssekretär aus ihren Reihen zu unterstellen. SPD und Verkehrspolitik – in Berlin zum Lachen. Dirk Wildt
Siehe Bericht Seite 22
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